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Globalhaushalt

Wie jedes Jahr um diese Zeit: Post vom Wahlamt der Uni - ,,Konzilswahl“. Profilneurotiker nach Listen geordnet? Gremienfuzzis? Papierverschwendung sowieso. Was gehts mich an?
Bei den anstehenden Wahlen zum Konzil der Uni geht es um die Akademische Selbstverwaltung, die Professoren, Mitarbeiter und Studierende zu ungleichen Teilen gemeinsam gestalten. Das Konzil ist dabei das höchste Gremium, das z.B. den Präsidenten wählt und vor allem den Akademischen Senat - das Gremium, das die meisten und wesentlichsten Entschlüsse faßt. Es geht also um die Zusammensetzung von Gremien die über die Umsetzung von Sparvorgaben (Globalhaushalt), die Neuregelung der Studienorganisation, zu entscheiden haben.
Es geht also um Entscheidungen, die sich direkt auf die Studienbedingungen für alle - auch für die, die von Politik lieber nichts wissen wollen - auswirken; noch konkreter als die Bildungspolitik in Bund und Ländern.
Beispielsweise um

Globalhaushalt

Auf allen Ebenen der akademischen Selbstverwaltung - uniweit, in den Fachbereichs- und Institutsräten - läuft die Diskussion um die Ausgestaltung des Globalhaushaltes auf Hochtouren. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn es geht dabei ums Geld und damit auch mittelbar um Lehrqualität und Forschungschancen. Noch ist nicht abschließend entschieden, nach welchen Kriterien die viel zu knappen Mittel verteilt werden. Die juso-hsg mischt sich intensiv in den Diskussionsprozeß ein und versucht, die Interessen der Studierenden bestmöglich zu vertreten. Doch bevor wir dazu kommen wie und mit welchen Zielen wir das tun, hier noch eine kurze Antwort auf die Frage:

Globalhaushalt - was ist das eigentlich?

Bis vor wenigen Jahren mußte jede Ausgabe an der Universität und den anderen Hamburger Hochschulen von der Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) genehmigt werden. War es nun Kopierpapier, die Telefonrechnung oder ein Teilchenbeschleuniger in der Physik, jede Rechnung ging ihren bürokratischen Gang in die Hamburger Straße (dort sitzt die BWF) und Leo Hajen (damals noch Senator) und seine Beamtenschaft prüften, verwalteten und entschieden dann - so oder so.

Damit ist heute Schluß, denn die Universität bekommt mit dem Globalhaushalt eine feste Summe für ihre Sachmittel zugewiesen, die sie dann selbst verteilen kann, darf oder auch muß. Denn natürlich hat auch die drastische Kürzungspolitik an den Hochschulen dazu beigetragen, daß sich die Behörde von ihren liebgewonnen Kompetenzen trennen konnte. Heute muß sie sich nicht mehr mit der Frage rumschlagen, wo denn nun konkret gekürzt werden soll, was denn tatsächlich nach zwei hammerharten sog. Konsolidierungsprogrammen noch entbehrlich ist, sondern sie verfügt einfach eine weitere Mittelkürzung um zwei, drei Prozent und überläßt es den Gremien der Universität, sich intern über die Verteilung des immer knapper werdenden Geldes zu streiten - ungeheuer praktisch, der Globalhaushalt als Mittel der Sparpolitik.

In der Universität selbst tobt nun seit etwa zwei Jahren der Kampf darum, nach welchen Kriterien die ca. 25 Millionen DM, die für Sachmittel noch zur Verfügung stehen, auf die Fachbereiche und Institute verteilt werden sollen. Diese verschärfte Konkurrenzsituation zwischen Fachbereichen, Instituten und den Interessen einzelner ProfessorInnen verdeutlicht die gravierenden strukturellen Defizite der Universität. Die Diskussion über die Verteilungskriterien ermöglicht es aber auch, sich für die finanzielle Belohnung gesellschaftlich notwendiger, zukunftsweisender, fortschrittlicher Entwicklungen einzusetzen. Beide Ebenen sind uns wichtig.

Demokratisierung statt betriebswirtschaftlicher Managementstrukturen!

Bekanntlich haben noch immer die ProfessorInnen in allen wesentlichen universitären Entscheidungsgremien die absolute Mehrheit. Da mit der Entscheidung über die Verteilung der Sachmittel unmittelbar auch wichtige Strukturentscheidungen über das zukünftige Gesicht dieser Hochschule getroffen werden - Wer hat noch die Möglichkeit zu aufwendiger Forschung? Wo können die Studienbedingungen verbessert werden? Welcher Fachbereich kann seine Bibliotheken noch einigermaßen vernünftig ausstatten? etc. -, muß man dem Hamburger Senat vorwerfen, daß er wichtige hochschulpolitische Steuerungsinstrumente an eine undemokratische, ständisch organisierte Einrichtung abgegeben und damit zu einer Entdemokratisierung beigetragen hat. Denn gerade bei der Diskussion um den Globalhaushalt wird deutlich, daß die ProfessorInnenschaft in ihrer großen Mehrheit eigene Erbhöfe verteidigt, Gruppeninteressen verfolgt und dabei den Blick für das Ganze und die gesellschaftliche Verantwortung von Wissenschaft zunehmend aus den Augen verliert.

Eine immer weitergehende Autonomie der Hochschulen von staatlichen und damit gesellschaftlich legitimierten Eingriffen ist nur dann sinnvoll und vertretbar, wenn endlich eine umfassende Demokratisierung der Hochschulen verwirklicht wird!
Leider hat gerade der Globalhaushalt jedoch bei einigen EntscheidungsträgerInnen eine Eigendynamik entfacht, die auf einen noch weitergehenden Abbau der Mitbestimmungsrechte der großen Mehrheit der Hochschulmitglieder hinausläuft. Unter dem Vorwand scheinbarer Sachzwänge zu möglichst schnellen, effizienten Entscheidungen in der ,,betriebswirtschaftlichen Einheit“ Hochschule, träumt die eine oder der andere schon von machtvollen ManagerInnen, die ohne lästige Diskussionen in universitären Selbstverwaltungsgremien finanzielle Entscheidungen eigenverantwortlich treffen. Dahinter steht ein Bild von Bildung und Wissenschaft als Ware, die marktgerecht produziert werden muß und deren unmittelbare Verwertbarkeit das Hauptkriterium für ihre Existenzberechtigung ist.
Dagegen werden wir uns im Konzil und im Akademischen Senat vehement zur Wehr setzen. Nur mit einer umfassenden Demokratisierung kann eine weitgehend autonome Hochschule ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, zur Lösung der globalen Probleme beizutragen und mit ihrem kritischen Potential die Entwicklung der Gesellschaft zu einer gleichberechtigten und demokratischen Gemeinschaft voranzutreiben. Dafür bedarf es eines gleichberechtigten wissenschaftlichen Diskurses aller Beteiligter an der Universität.

Neben unserer Forderung nach strukturellen Veränderungen an den Hochschulen gerade auch im Zusammenhang mit dem Globalhaushalt, arbeiten wir auch in der konkreten Diskussion um seine Ausgestaltung dafür, fortschrittliche Entwicklungen an unserer Uni zu fördern.

Frauenförderung, Interdisziplinarität und Qualität der Lehre belohnen

Die Frage, nach welchen Kriterien das für Sachmittel zur Verfügung stehende Geld verteilt werden soll, ist auch die Frage danach, welche Verhaltensweisen in Zukunft finanziell belohnt und daher gefördert werden sollen. Mit der Auswahl der Kriterien ist also immer auch eine Aussage über die Entwicklungsziele der Universität verbunden. In der Arbeitsgruppe Kennzahlen, die für den Akademischen Senat einen Verteilungsvorschlag entwickeln soll und die natürlich auch professoral dominiert ist, streiten wir dafür, zukunftsweisende Kriterien mit aufzunehmen. Im Vordergrund stehen dabei die Frauenförderung, eine Erhöhung der Qualität der Lehre und eine längst überfällige Initiative zur Förderung interdisziplinärer Lehre und Forschung. Wir meinen, unsere Mitarbeit lohnt sich, wenn es uns gelingt, das Erreichen dieser Ziele auch unmittelbar mit der Mittelverteilung zu verknüpfen. Das ist nicht mehr als ein Schritt und macht die politische Arbeit für diese Ziele nicht überflüssig, aber es ist immerhin ein Schritt und vielleicht nicht der aussichtsloseste.

Kritisieren und mitgestalten

Die juso-hsg wird also im Konzil und im akademischen Senat einerseits die Rahmenbedingungen kritisieren, unter denen der Globalhaushalt an unserer Hochschule eingeführt wurde, und sich für Demokratisierung und ausreichende staatliche Finanzierung der Hochschulen stark machen, andererseits aber aktiv am Ausgestaltungsprozeß teilnehmen, um die Möglichkeiten, die der Globalhaushalt zur Implementierung fortschrittlicher Entwicklungen bietet, nicht ungenutzt zu lassen. Wir meinen: Kein Widerspruch, sondern verantwortungsvolle studentische Interessenvertretung.

Willst Du mehr über den Diskussionsstand über den Globalhaushalt wissen?
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Dann schreib uns oder ruf einfach an! Adresse und Telefonnummer findest Du im Kopf des Flugis!
Interesse uns kennenzulernen? Wir treffen uns jeden Dienstag um 19.00 Uhr im AStA-Trakt!

Wofür setzen wir jusos uns ansonsten ein? Wir wollen, daß die Uni weiterhin Bildung für alle zugänglich macht. Tendenzen, zur Unterteilung in eine wissenschaftliche Elite einerseits und ein Heer akademisch ausgebildeter Heinzelmännchen für den Tagesbedarf der Wirtschaft andererseits lehnen wir entschieden ab. Denn Bildung macht Gesellschaft. Hier werden dem einzelnen Wissen und Fähigkeiten gegeben, sich unabhängig in dieser Gesellschaft zu bewegen und mitzuentscheiden - oder sie werden ihm vorenthalten. Diesem emanzipatorischen Ziel stehen nicht nur die entgegen, die offensiv für sog. ,,Bildungseliten“ eintreten. auch die, die gesellschaftlich bedingte Ungleichheit als gegeben hinnehmen und Umverteilung für einen Begriff aus der sozialistischen Mottenkiste halten, haben das Ziel realer Chancengleichheit von vornherein verfehlt.

In den Gremien der Akademischen Selbstverwaltung haben die Professoren der derzeitigen Gesetzeslage nach die Mehrheit. Dennoch können Studierende ein gewichtiges Wort mitreden. Dafür kommt es aber darauf an, wer in den Gremien vertreten ist. Die, die zu Semesterbeginn zu Freibier einladen (RCDS), die, die sich aus der studentischen Interessenvertretung im Studierendenparlament verabschiedet haben (Grüne Hochschulgruppe), die, die der FDP das letzte Geleit geben wollen (LUSt) oder aber die, die als Aktive des letzten Streiks, als Aktive in Fachschaften dafür stehen, beispielsweise die professorale Gremienmehrheit weiterhin massiv mit den Streikforderungen zu konfrontieren und dem bedingungslosen ,,Reform“-Modernismus eine linke studentische Perspektive entgegenzusetzen. Das haben wir schon in der Vergangenheit getan - ein paar praktische Beispiele aus Konzil und Akademischem Senat im letzten Jahr:

  • Thema Zwangsberatung: Wir haben entscheidend dazu beigetragen, die Durchführungsverordnung zur gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsberatung für ,,Langzeitstudenten“ weitmöglichst zu entschärfen
  • Thema Humanbiologie: Wir haben die ,,Rassenkunde“-Vorlesungen am Humanbilogischen Institut thematisiert und haben im AS ein Minderheitenvotum erreicht, das ihr Ende und eine Umstrukturierung und Überprüfung des Instituts fordert
  • Thema Zielfindung: Wir haben erreicht, daß sich die Uni ausdrücklich mit Zielen und Inhalten von Wissenschaft auseinandersetzt. Daraus ist der Dies Academicus entstanden
  • Thema Grotemeyer-Bericht: Wir haben verhindert, daß die Rationalisierungsvorgaben des Grotemeyer-Berichts unkritisch in die Praxis umgesetzt wurden
  • Thema ZFI: Wir haben uns dafür eingesetzt, daß die Sprachkurse an der Uni weiterhin kostenlos bleiben
  • Thema Frauenförderung: Wir haben aktiv an der Ausarbeitung und Umsetzung der Frauenförderrichtlinien mitgewirkt
  • Thema Leidenberger-Institut: Wir haben uns heftig gegen den Ausverkauf des Instituts für Reproduktionsmedizin and den Schering-Konzern gewandt
V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 24. Juni 1998, http://www.harte--zeiten.de/artikel_173.html