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Mazedonien: NATO-Interventionen als Normalfall?

Oder: Wie man Kollateralschäden militärisch bekämpft.

Mit den Angriffen gegen Jugoslawien ergriff die NATO 1999 Partei für die nationalistische UCK, deren erklärtes Ziel schon damals ein ethnisch "gesäubertes" Groß-Albanien war. Es ist wenig verwunderlich, wenn die albanischen Freischärler ihre Eskalationsstrategie, die im Kosovo derart belohnt wurde, nun auch in Mazedonien fortsetzen. Darüber hinaus wurde Mazedonien während des NATO-Krieges zu einem kombinierten Militär- und Flücht-lingslager gemacht. Die damit verbundenen Bevölkerungsverschiebungen und Belastungen trugen ebenfalls wesentlich zu den jetzigen Konfrontationen und Zerfallserscheinungen bei. Durch ihr militärisches Agieren hat die NATO den Krieg also auch in den letzten der jugoslawischen Nachfolgestaaten getragen, der davon bisher verschont geblieben war. Eine Lösung für dieses Problem haben die Befehlshaber schnell bei der Hand: Mehr Militär. Die in Mazedonien kämpfenden Gruppen sollen sich auf einen Waffenstillstand einigen und dann ihre Waffen an eine für 30 Tage zu stationierende NATO-Truppe abgeben.

Mazedonien als Teil der NATO-Strategie

Diese Begründung für den geplanten NATO-Einsatz in Mazedonien ist unrealistisch und widersprüchlich. Wenn die UCK bereit ist, freiwillig ihre Waffen abzugeben, bedarf es nicht der NATO, die Waffen einzusammeln. Meint man jedoch die NATO zu brauchen, dann nicht für den begrenzten Zweck des Waffeneinsammelns und über eine Dauer von 30 Tagen hinaus. Als Konfliktschlichter ist die NATO ohnehin ungeeignet. Abgesehen davon, dass ihre militärische Logik im ehemaligen Jugoslawien bisher jedesmal versagte, hat sie sich in Mazedonien noch einmal speziell diskreditiert. Sie unterstützte die kosovo-albanische UCK, setzte deren Entwaffnung nicht durch und verhinderte trotz KFOR-Präsenz den Waffeneinsatz der UCK in Serbien und Mazedonien nicht. Berichte über ehemalige amerikanische Offiziere, die sich der UCK als "Instrukteure" zur Verfügung stellen, sowie massive Waffenlieferungen runden diese Bild ab.

Es scheint eher, als solle mit dem geplanten Einsatz die Selbstmandatierung
der NATO normalisiert werden. Eine Aufgabe, die früher üblicherweise eine
UN-Blauhelmmission übernommen hätte (Überwachung eines Waffenstillstandes, Entwaffnung von Kombattanten), fällt
nun plötzlich in das Aufgabengebiet
der NATO. Und anders als noch 1999
findet man es heute nicht einmal mehr
notwendig, dafür die konstruierte Handlungsunfähigkeit der UN vorzuschieben - nein, es ist einfach ganz normal.

Deutschland auch ganz "normal"?

Ganz normal soll auch sein, dass die Bundeswehr an einem solchen Einsatz teilnimmt. So stellte Regierungssprecher Heye klar, dass "Bündnissolidarität selbstverständlich" sei, noch bevor die Modalitäten einer solchen Mission überhaupt erkennbar sind, vom fehlenden Beschluß des Bundestages ganz zu schweigen. Aber gerade mit diesem Bundestagsbeschluß scheint es nicht so ganz einfach zu werden. Inzwischen haben über 20 SPD-Abgeordneten und auch einige Mitglieder der grünen Fraktion erklärt, sie würden nicht zustimmen. Sofern diese dem enormen Druck, der auf sie ausgeübt wird, standhalten, hat die Koalition keine eigene Mehrheit um den Einsatz zu beschließen. Das kann unterschiedliche Auswirkungen haben.

Falls Schröder, Scharping, Fischer und Co. den Weg zur uneingeschränkten militärischen Interventionsfähigkeit mit allen Mitteln weitergehen wollen, dann wären sie auf die Stimmen von FDP oder CDU/CSU angewiesen. Diese haben aber bereits erklärt, dass sie sich ihre Zustimmung teuer bezahlen lassen wollen, mit einer Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Angesichts dessen, dass der Etat für Entwicklungshilfe gerade erst zusammengestrichen wurde, würde das die Aussage des Koalitionsvertrages "deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik" vollends als Farce entlarven. Oder aber Deutschland kann tatsächlich nicht am Einsatz teilnehmen, vielleicht sogar darauf drängen, dass er ganz unterbleibt. Dann wäre die Bundesregierung in einer glaubwürdigeren Situation, um einen ernsthaften Beitrag zur zivilen Lösung des Konfliktes zu leisten.

Zivile Hilfe statt militärischer Intervention

Der Konflikt in Mazedonien wird nur mit friedlichen Mitteln unter Einbeziehung der UN und der OSZE gelöst werden können. Dazu müssen UN und OSZE den Auftrag erhalten sowie die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, die zu einer friedlichen Lösung des Konflikts notwendig sind.

Die Einwirkungsmöglichkeiten auf beide Konfliktparteien unterhalb der Ebene physischen Zwangs sind noch längst nicht ausgeschöpft. Der notleidende Kleinstaat Mazedonien ist auf ökonomische Hilfe von außen angewiesen um zu sozialen und demokratischen Reformen zu kommen, die allen seinen Bewohnern unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft eine
gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Die militanten albanischen Kräfte haben ihre materielle Basis im Einflußbereich der internationalen Gemeinschaft: im Kosovo, in Albanien
und in einzelnen Diaspora-Ländern. Dort die Alimentierung des Bürgerkriegs wirksam zu unterbrechen, ist eine bisher höchst unzureichend genutzte Option. Dass es eine Unterstützung der UCK durch westliche Regierungen, Militärs oder Geheimdienste nicht weiter geben darf, ist offensichtlich.

Hinter dem Ansinnen, eine NATO-Truppe in Mazedonien zu stationieren steht
der Primat militärischen Sicherheitsdenkens. Ziel muß aber eine politische Lösung des Mazedonien-Konfliktes ohne militärische Eskalation sein. Erforderlich ist deshalb ein langfristig angelegtes politisches und soziales Konzept, um der Region eine Perspektive für Frieden und nachhaltige Entwicklung zu geben.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Freitag, den 3. August 2001, http://www.harte--zeiten.de/artikel_90.html