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Kommerzielle Despotie oder solidarische Entfaltung?

,,Mit dem geplanten Wissenschaftscampus will die RWTH die Zusammenarbeit mit der Industrie bald ,,auf eine neue Ebene“ heben, wie Sprecherin Sabine Busse sagte. Auf dem Campus Melaten und am Aachener Westbahnhof sollen auf einer Fläche von 2,5 Quadratkilometer 15 Forschungs-Cluster für mehr als 10.000 Mitarbeiter entstehen. Bis zu 200 Unternehmen können sich dort ansiedeln. Nicht nur die Forschung soll gemeinsam betrieben werden, die Firmen können sich auch an Lehre und Weiterbildung beteiligen. ,,Der Campus soll vor allem kleineren Herstellern Chancen bieten“, sagt Busse: Kostenpunkt des Projekts: 2 Milliarden Euro.“
,,Per Mausklick durch Aachen spazieren“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18./19.04.2009.

Das Aachener Beispiel steht für die (auch in Hamburg) geplante Umorientierung der Universität von einer republikanischen Einrichtung der Aufklärung zum folgsamen Dackel der Standortdoktrin. Der rabiat monotone Kommerz steht gegen Vernunft, Kritik, Demokratie und humane Nützlichkeit.

In Frankfurt ist ein Campus aus Glas/Beton rund ums schon zuvor universitär genutzte IG Farben-Gebäude errichtet worden. Anstelle einer kritischen Auseinandersetzung mit dem zerschlagenen Weltkonzern, der maßgeblich von der faschistischen Ausbeutung der Verfolgten in den KZ profitierte, entstanden hier elitär abgeschottete Klötze, die nur mit Einlaßkarte zu betreten sind. Das ,,House of Finance“ bildet den neuen Block für die Staatswissenschaften, eine Einbindung in die städtische Öffentlichkeit ist nicht gegeben, die Verkehrsverbindung ist übel, der Campus abends wie leergefegt, die Mieten in den neuen Wohnheimen teuer und durch die Privat-Öffentliche- Finanzierung (PPP) ist den Universitätsmitgliedern die Verfügung über die Raumgestaltung entzogen worden. Längst sind die Hessischen Universitäten dank der rechtsdrehenden Koch-Regierung ,,stiften“ gegangen. Im Zusammenhang mit diesem ,,Aufbruch“ wurde an der Goethe- Universität auch ein Josef-Ackermann-Lehrstuhl eingerichtet. Kann der soziale Bankrott verantwortlicher Wissenschaft und humanistischer Bildung krasser sein?

Auch in Bremen hat die Zerschlagung sozialkritischer Anteile, einer wirklich demokratischen Selbstverwaltung und eines emanzipatorischen Bildungskonzepts (z.B. Projektarbeit statt Seminare/ Vorlesungen) zwar schon mit Unterfinanzierung, politischem Rollback 1982 und Berufsverboten begonnen, aber erst in den 1990ern wurde die umfassende Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Universität mit dem ,,Wissenschaftspark“ forciert. Hier gingen ebenso bauliche und inhaltliche Verschlechterungen Hand in Hand. Der ,,Wissenschaftspark“ dient der Ansiedlung von großen Unternehmen (z.B. Daimler) in direkter Universitätsnähe. Für verhältnismäßig geringe Sponsoring- Gelder werden die Natur- und Ingenieurwissenschaften den Forderungen der privaten Wirtschaft angeglichen. Ebenso wie im Aachener Beispiel gelingt es dort den Unternehmen staatlich subventionierte Forschung unmittelbar in ihre Produktionsentwicklung einzubeziehen, die Mitglieder der Universität zu Versuchspersonen und billigen Arbeitskräften Profit versprechender Projekte zu degradieren und damit die Hochschule zu unterwerfen. In Bremen existieren die Hauptfachstudiengänge Philosophie und Linguistik nicht mehr; die Behinderten-Pädagogik und der Sport werden abgewickelt. Nur was sich rechnet, darf bleiben. Der ,,Wissenschaftspark“ gedeiht also eher als Freudenhaus für die Industrie.

Korrespondierend zu diesen absurden Entwicklungen zielen die ansonsten expansiven Pläne der hiesigen Senatorin darauf, daß die geisteswissenschaftliche Fakultät klein bleiben und die Erziehungswissenschaft sogar schrumpfen soll. Die Studierendenzahlen sollen insgesamt bis 2012 um 3.000 sinken - obwohl in den letzten zehn Jahren schon 10.000 Studienplätze verloren gingen.

Das öde konservative Programm steht also eindeutig im Gegensatz zu demokratischer und gesellschaftskritischer Bildung und Wissenschaft mit dem Inhalt des Allgemeinwohls sowie einer solidarischen Entwicklung der Gesellschaft. Das ,,Exzellente“ und das ,,Moderne“ sind von Gestern. Eine erfreuliche Zukunft bedarf der dynamischen Opposition:

,,Und weil der Mensch ein Mensch ist/ drum hat er Stiefel ins Gesicht nicht gern./ Er will unter sich keinen Sklaven sehn/ und über sich keinen Herrn.“
(Bertolt Brecht, Einheitsfrontlied, 1935.)

Quellen:
AStA Universität Bremen (Hrsg.): Das Uni-Buch 2008, Bremen 2008. www.asta.uni-bremen.de/?page_id=185
AStA Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt: AStAZeitung, Dez. 2008, F.a.M. 2008. www2.asta-frankfurt .de/uploads/04_2008.pdf

V.i.S.d.P.: Olaf Walther, Golnar Sepehrnia & Christian Sauerbeck, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: FachschaftsBündnis - Aktive für demokratische und kritische Hochschulen,
harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Dienstag, den 21. April 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_845.html