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Zur Kasse, Schätzchen!

Studiengebühren, Wahlversprechen und Eigenverantwortlichkeit

Brechmittel für alle. Der neue Senat setzt Akzente und das bedeutet neben einem Innensenator der über Leichen geht die flächendeckende Ruinierung öffentlicher Infrastruktur im Sozialbereich, dass es mit dem laut tönend angekündigten Schwerpunkt im Bildungsbereich nichts werden wird. Besonders kluge Köpfe stellen schon fest, dass die ehrenwerte Gesellschaft, die im Rathaus (oder im "Wollenberg", oder wo auch immer...) ihre Entschlüsse fasst, Versprechen nicht einhält. Huch! Wer hätte das gedacht?

Zum Beispiel Universitätspräsident Jürgen Lüthje. Im November zeigt er sich noch hoch erfreut über die einschlägigen Ankündigungen - nun ist er beleidigt, dass es für die Uni finanziell richtig eng wird. Und zieht eine grundfalsche Konsequenz, nämlich die Forderung, Studiengebühren einzuführen. Daß er sich damit über die (in der letzten Woche vom Universitätskonzil bekräftigte!) Beschlusslage der Uni hinwegsetzt, wonach die Einführung von Studiengebühren im Grundsatz abgelehnt wird, sei nur am Rande vermerkt. Ausgemacht dumm ist aber, dem Senat, der bei der Einführung von Studiengebühren bisher große Zurückhaltung übt, frei Haus das Argument liefert, "die Uni" - so bezeichnet Lüthje sich gelegentlich in seinen Presseerklärungen - wolle es doch so.

Dumm vor allem, wenn man eigentlich die Finanzausstattung der Universität verbessern will (und muß) tatsächlich aber nur die soziale Selektion verschärft. Alles in allem lässt sich tatsächlich feststellen, die Lage der Uni ist mies: Der Hinweis von Wissenschaftssenator Dräger, nun müssten Schwerpunkte gesetzt werden ist für viele Fächer das Signal zum letzten Gefecht; von einem Erlass der Sparauflagen ist wie gesagt keine Rede mehr - und das Ziel, in den kommenden Jahren massiv Neulehrer aus dem Boden zu stampfen führt am Fachbereich Erziehungswissenschaften zu vollkommen unhaltbaren Zuständen. Die Verschlechterung der Studienbedingungen ist allerdings bei den Pädagogen nur besonders spektakulär - ansonsten ist sie allgemein. Verlust der BAföG-Förderung, weil Seminare und Zwischenprüfungen nicht fristgemäß absolviert werden konnten - Alltag. Wegfall von gewählten Schwerpunkten mitten im Studium, weil freiwerdende Stellen nicht nachbesetzt werden - studentisches Roulette.

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Der Vorschlag Lüthjes, Studiengebühren von 1000 € zu erheben, die jedenfalls für Studierende mit Wohnsitz in Hamburg in Form von Bildungsgutscheinen von der Stadt zurückerstattet werden sollen, ist die falsche Antwort auf die Finanzmisere. Zwar ist es richtig, dass die Flächenstaaten den Stadtstaaten, die überproportional zur univeristären Ausbildung beitragen, eben dafür einen größeren finanziellen Ausgleich erstatten müssten als es der Fall ist.

... durch die Brust ins Auge

Lüthjes Vorschlag, Studiengebühren faktisch bei Studierenden aus dem Hamburger Umland zu erheben, individualisiert das Problem aber und eröffnet einen neuen sozialen Ausschlussfaktor. Lüthjes Plan, die Studierenden so zu einem Umzug nach Hamburg zu dressieren (was im Finanzausgleich der Bundesländer zu Hamburgs Gunsten wirkt) lädt den Studierenden die notorisch höheren Lebenshaltungskosten auf - und sorgt mit den von Lüthje angepeilten 10.000 (!) studentischen Neubürgern für entzückende Aussichten auf dem WG-Zimmer- und Kleinwohnungsmarkt. Das Problem ist aber mitnichten eines, dass nur zu sozialer Selektion führt. Vor allem würde die einmal eingeführte private Studienfinanzierung der altbekannten Handelskammer-Forderung, den Bildungsbereich vollkommen marktförmig zu organisieren neue Dynamik geben. Wer sagt denn, dass es bei der von Lüthje vorgesehenen Rückerstattung bleiben muss? Auf etwaige Passagen im Koalitionsvertrag sollte man sich auch hier nicht verlassen - zumal Herr Dräger Studiengebühren als ordnungspolitisches Instrument befürwortet. Das wir Studierenden von diesem "Wissensmanager" eh' wenig Gutes zu erwarten haben, belegt auch ein Aussage Drägers gegenüber dem Lokalsender "HH1", die Uni könne nur den Studierenden ein erfolgreiches Studium gewährleisten, die von der Uni in Zugangstests ausgewählt worden seien. Mit anderen Worten: Für die Studienbedingungen aller derzeit Studierenden fühlt sich der Senator nicht verantwortlich.

Mies ist die Lage aber nicht nur an der Uni, sondern in allen Bereichen, wo die Stadt in der Verantwortung wäre, für soziale Lebensbedingungen zu sorgen. Die "Sozial- und Familiensenatorin" erklärt, Sozial sei nicht die Priorität des Rechtssenates und spart Sozialprojekte kurz und klein, der Justizsenator findet Spritzentausch zur Vermeidung von Hepatitis- und AIDS-Infektionen sei ein Zeichen der Schwäche, Schill bläst zur Treibjagd auf Junkies und Kleindealer und amüsiert sich auf Schickeriapartys. Letzteres lenkt übrigens etwas davon ab, dass die Schwerpunkte der neoliberalen Senatspolitik nicht im Halbseidenen, sondern im hochseriösen Milieu der Handelskammer verortet sind.

Das Falscheste wäre, sich den vom Senat deklamierten Sachzwängen zu beugen. Denn dass auch Bürgermeister v. Beust sich bewegt, wenn er Kratzer für sein Strahle-Ole-Image befürchtet, war immerhin zu Beginn der Amtszeit des neuen Senates zu beobachten. Es war der für CDU, Schillpartei und die Mehrheitsbeschaffer überraschend massive Protest, der gegen den Willen der Koalitionäre die langjährige Forderung der ehemaligen Häftlinge durchsetzte, das Gefängnis vom Gelände des ehemaligen KZ-Neuengamme doch zu verlegen.

Widerstand lohnt sich

Auch wir sollten uns nicht einmachen lassen. Sehr erfreulich ist daher, dass es bei den Pädagogen seit geraumer Zeit Vorbereitungen zu massivem Protest im Sommersemester gibt, sogar das böse Wort Streik soll dabei schon gefallen sein. Falsch wäre aber - so wird es auch in der Erziehungswissenschaft gesehen -, sich nur um die Lage an einem Fachbereich zu kümmern und mit der Haltung "ich studier' ja woanders" die Kollegen mal machen zu lassen. Genauso wie es falsch (und obendrein kurzsichtig) wäre, die Kommilitoninnen und Kommilitonen, die das Pech haben, außerhalb Hamburgs zu wohnen, die Gebühren-Suppe allein auslöffeln zu lassen. Und es geht auch nicht nur um "unsere Uni", sondern um ein Bündnis aller, die unter dem Rechtssenat verlieren. Solidarität gegen Studiengebühren, für angemessene Studienbedingungen und gegen die allgemeine Zerstörung sozialstaatlicher Errungenschaften wären in diesem Sinne ein guter Vorsatz für das kommende Semester!

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 11. Februar 2002, http://www.harte--zeiten.de/artikel_73.html