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McCarthys Wiedergänger

oder Wissenschaft als Kunst neuer Ideen

,,Und in jeder Armee gibt es bisweilen schwarze Schafe, diejenigen, die heute die Schlagzeilen bestimmen, die nicht nach den Maßstäben unseres Schwurs und unseres Landes leben. Aber Sie wissen auch, daß dies nur ein kleiner, kleiner Bruchteil ist von jenen ehrenwerten Männern und Frauen, die auf allen Schlachtfeldern dieses Kampfes unserem Lande dienen, mit Menschlichkeit, mit Würde, mit Professionalität und mit Mut im Angesicht der andauernden Angriffe. Und das ist wichtig in einem langen Kampf oder langen Krieg, in dem jede Art von moralischer oder intellektueller Verwirrung darüber, wer und was richtig ist oder falsch, die Fähigkeit einer freien Gesellschaft zu bestehen schwächen kann.“
Aus einer Rede von US-Kriegsminister Donald Rumsfeld vor dem Jahrestreffen der ,,American Legion“ (US-Veteranenvereinigung) in Salt Lake City am 31.8.2006.

,,Die Ideen darüber, wie man die neuen Produktionsmöglichkeiten benutzen könnte, sind nicht sehr entwickelt worden seit den Tagen, als das Pferd tun mußte, was der Mensch nicht konnte. Denken Sie nicht, daß in so mißlicher Lage jede neue Idee sorgfältig und frei untersucht werden sollte? Die Kunst kann solche Ideen klarer und sogar edler machen.“
Bertolt Brecht, Anrede an den Kongressausschuss für unamerikanische Betätigungen in Washington, 1947.

Bereits kurz nach dem Sieg der Alliierten über den Faschismus, mit Beginn des Kalten Krieges bliesen rechte Eliten in den USA zur Jagd auf kritische Intellektuelle, ihnen ,,unamerikanische“ Sympathie für sozialistische und andere menschenfreundliche Ideen vorwerfend. Durch Zensur, sozialen und psychischen Druck, Berufsverbote etc. wollten sie die progressive Dynamik der antifaschistischen, sozialen Demokratie der USA der 1930er/40er Jahre (des ,,New Deal“ und des Humanisten F.D. Roosevelt) kappen und militant gewinnträchtig umkehren. Die Hetzkampagnen dafür erreichten ihren Höhepunkt in den denunziatorischen Exzessen des republikanischen Senators John McCarthy der Jahre 1953/54 gegen linke Arbeiter, Künstler und Wissenschaftler. George Clooney hat den Widerstand gegen diesen antikommunistischen Wahn in seinem aktuellen Film (,,Good Night, and Good Luck.“, empfehlenswert) bissig und ermutigend dargestellt.

Heute wird die intellektuelle Zurichtung der Bevölkerung auf den Kriegskurs zumeist eher den Marktkräften überlassen (z.B. in der Selbstzensur der Medienkonzerne). Diese kulturellen Maschinerie zur Organisierung der Duldung von Krieg und Ausbeutung wird angesichts zunehmenden friedenspolitischen Engagements und breiter Kritik am heißen ,,Krieg gegen den Terror“ jedoch vermehrt wieder durch Überwachungs- und Repressionspraxis gestützt (Homeland Security, Patriot Act). Die Demagogie Rumsfelds - Krieg sei Menschlichkeit und Würde, blinde Gefolgschaft sei professionell und mutig, Kritik und Widerstand sei moralische Verwirrung - soll die Vernunft zersetzen.
Im Krieg regiert die Lüge.

Die Wahrheit ist: Der Krieg, in Jugoslawien wie in Afghanistan, im Irak wie im Libanon, die militärische Eroberung von Märkten und Rohstoffen und die gewaltsame Zerstörung der Hoffnung auf friedliche und humane Bedingungen ist die barbarische Verteidigung einer überkommenen Gesellschaft. Die ,,Wachsende Stadt“ ist dabei das imperialistisches Vor-Ort-Programm des aktuellen Hamburger Senats im Dienste der kapitalen Nutznießer der ,,Standortkonkurrenz“.

Dagegen sollten Bildung und Wissenschaft als systematische Kunst, neue Ideen klarer und edler zu machen, entwickelt werden. Es geht um die Verständigung darüber, wie angesichts enormer gesellschaftlicher Produktivität menschenwürdige Lebensbedingungen und die solidarische Entfaltung aller verwirklicht werden kann. Dafür hat der Kampf für tatsächlich freie, das heißt humane und kritische Wissenschaft, gegen erzwungene Unterfinanzierung und Studiengebühren, Entdemokratisierung der Hochschulen und Verschulung des Studiums durch Bachelor/Master- Studiengänge immense Bedeutung: Widerstand ist Würde.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 7. September 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_411.html