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,,Realo“?! - Der gefährliche Irrweg der Biederkeit.

,,Die SPD haut drauf: härteres Durchgreifen, Klimalager räumen, ,,Terror-Camp“ - das ist von Sozialdemokraten und Jusos dieser Tage im Zusammenhang mit dem Zeltlager der linken Aktivisten in Lurup zu hören.“
Mopo, ,,Die SPD in der Hardliner-Falle“, 23. August 2008.

,,Kaufen, was einem die Kartelle vorwerfen; lesen, was einem die Zensoren erlauben; glauben, was einem Kirche und Partei gebieten. Beinkleider werden zur Zeit mittelweit getragen. Freiheit gar nicht.“
Kurt Tucholsky, ,,Schnipsel“, 1932.

Ehrlich gesagt ist es nach etwas mehr als 100 Tagen ,,Schwarz-Grün“ eigentlich an der Zeit, das schnelle Scheitern dieses geschmacklosen Rettungsversuches einer kapitalfrommen Politik (,,kreative wachsende Stadt“) mit sozialem Scharfsinn aufzuspießen. Statt dessen vermitteln die hamburgischen Spezialdemokraten zwanghaft den Eindruck, sie vermißten rechte Schlagetots wie die Ex-Senatoren Schill, Kusch und Nagel.

Wie geht diese stumpfe Entrationalisierung ,,sozial-demokratischer“ Politik vonstatten?

Die gegenwärtig dominante Abteilung der SPD lebt von einer populistischen Vermischung sozialstaatlicher Forderungen mit einer strikten Ordnungspolitik. Wer artig ist, soll auch gesellschaftlich aufsteigen dürfen, ist das nur vermeintlich soziale Versprechen. Damit ist die gesellschaftliche ,,Ordnung“ des Kapitalismus (soziale Ungleichheit, Konkurrenz und die Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit) nicht nur wesentlich anerkannt, sondern sie soll auch ,,mit starker Hand“ (Polizei und Militär) nach innen und außen durchgesetzt werden. Das sei dann wahlweise ,,Patriotismus“, ,,Sicherheit“ oder ,,demokratischer Rechtsstaat“. Abweichungen von der herrschenden Norm, ob in verallgemeinerbarer oder in restriktiver Weise, werden zu Recht als Gefährdung dieses braven Konzeptes begriffen und folglich bekämpft. ,,Opposition“ gilt dann lediglich als eine degradierende Sitzplatzzuweisung in der Bürgerschaft. - Prosit!

An der Universität ist diese vernunft-, solidaritäts- und entwicklungsfeindliche Positionierung durch die ,,Jusos“ im AStA repräsentiert: Zwar werden Studiengebühren abgelehnt, aber Bildung und studentische Politik sollen der vermeintlichen individuellen Sicherheit durch Karriere und also ,,dem Standort“ dienen. ,,Service-Beratung-Kultur“ wird an die Stelle solidarischer Selbstorganisierung gesetzt.

Die wesentlichen Ursachen und Verursacher gesellschaftlicher Probleme - die international und lokal profitgierig wildernden Konzerne und ihre konservativen Handlanger - bleiben deshalb letztlich immer untangiert.

Was derart als ,,Realpolitik“ gilt, ist folgsam nur die Manifestation einer unrealistischen, geschichtsvergessenen Handlungsweise: Tatsächlich ist die Hebung der Lebensbedingungen immer nur durch soziale und zunehmend internationalistische Kämpfe erstritten worden. In diesen hat auch die Sozialdemokratie ihren Ursprung, ihre eigentliche Legitimität und einzig eine Zukunft. Gesellschaftliche Großprobleme wie die wachsende soziale Ungleichheit im regionalen und globalen Maßstab, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, Hunger, Perspektivlosigkeit und Kriege, all dies auch als wesentliche Ursachen von Flucht und Migration, können nur überwunden werden, wenn man sich solidarisch, aufgeklärt und couragiert gegen die umfassende und internationale Dominanz der großen Geschäftemacherei positioniert. (Das ist dann auch etwas anderes als effektheischender Aktionismus und eine scheinradikale Staats- und Personenfixierung.)

In diesem Sinne ist oppositionelles Engagement ein Gewinn für alle.

Weiterhin gilt: gegen Links und gegen ,,Arm“ ist immer für Rechts und für ,,Reich“.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 25. August 2008, http://www.harte--zeiten.de/artikel_747.html