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Liebe, Opfer, Vaterland

"Ich bin kein Römling, bin kein Slav;
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig."

(Aus: Heinrich Heine, Die Wahlesel, Zeitgedichte)

"Eine Patriotismusdebatte ist richtig und notwendig für die wirtschaftlichen Reformen in Deutschland. [...] Nur wenn wir unser Land lieben, sind wir bereit zu Opfern."
(Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust, CDU, in der FAZ am Sonntag 28.11.04)

Advent - das ist die hohe Zeit des konservativen Wohltätigkeitspopulismus zur Vertuschung der sozialen Realität. Der "Bürgermeister der Herzen" beweihräuchert sich in seiner Hamburger WELT-Komlumne dafür, daß er fürsorgenden Initiativen wie der "Hamburger Tafel" noch nicht wie etlichen sozialen Einrichtungen den Hahn abgedreht hat, läßt die Rathhausspitze blitzen und stimmt ein in den bundesweiten Chor verlebter Reaktion: "Das Interesse einzelner Lobbygruppen, der eigene Vorteil, stand zu lange im Zentrum. Es muß um das Interesse Deutschlands gehen." (a.a.O.) Kein oben, kein unten, kein arm, kein reich - doch ... ein Reich! Hurrraaa!

So klinget und singet im Vorfeld des CDU-Bundesparteitags die Christen-Union: das Heil der Nation. "Gemeinschaft", "Nächstenliebe", "Leistung" und "Patriotismus" sollen das Land aus der wirtschaftlichen Krise katapultieren. Der ebenso schlichte wie durch 16 Jahre Kohl (und was dann kam) widerlegte Kernsatz des Leitantrags lautet: "Geht es den Unternehmen gut, geht es auch den Arbeitnehmern gut." Diese neo-konservative ,Wohlfahrt' findet ihren konkreten Ausdruck in der Absicht, nunmehr sämtliche Beiträge der Unternehmen an den sozialen Kosten (Gesundheits- und Pflegeversicherung) auf die Arbeitenden abzuwälzen und die Einzelnen bei der Finanzierung und Gewährleistung von Kranken- und Altenversorgung, sozialer Absicherung sowie Bildung der gnädigen wie ‘opferbereiten' Fürsorge ihrer Familienangehörigen auszuliefern. Der Staat sei ordnungspolitisches Instrument der Wirtschaftsförderung. "Lobbygruppen" wie Gewerkschaften als Vertretungen der werktätigen Bevölkerungsmehrheit seien ruhig zu stellen; für "Wachstum" ginge der CDU nichts über die Kooperation mit Industrie-, Handels- und Handwerkskammern. Die Politik der Hamburger CDU dient als Vorbild. Soweit so bekannt.

Neu - in der bundesrepublikanischen Geschichte - ist nur die Dimension, in der ebensolche Politik der rücksichtslosen Schleifung sozialer Errungenschaften die soziale Spaltung der Gesellschaft für jedermann erkennbar verschärft. Die Verunsicherung ist allgemein.
Doch auf die Union ist verlaß: Schnell sind als Verursacher der Krise ausgemacht: ,Nicht integrationswillige Migranten', ,Multikulti' und die ,Konkurrenz in einer globalisierten Welt' wogegen helfe: christilich-abendländische Werte, deutsche Leitkultur und ,Führung in der Forschung sowie die Marktführerschaft in vielen Industriebrachen'. Die Hatz ist eröffnet. Wenn das Jeder-gegen-Jeden der eigenen Klientel zu hart wird, dann hilft nur noch das sattsam bekannte nationale "Wir" gegen den Rest der Welt. Aber: Wir lieben unsere Opfer.

Aus der Geschichte zu lernen ist dieser Leute Sache nicht.
Solidarisch gewährleistete und demokratisch organisierte Bildung, Kultur und soziale Sicherung sowie sinnvolle Arbeit für alle sind die positiven, sozialstaatlich in Angriff genommenen Schlußfolgerungen (west) nach 1945. Sie sind praktizierte Aufklärung gegen rechts-radikale Verrohung.
Das Errungene und Gelernte kann gegen die Vertuschung erweitert werden.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 29. November 2004, http://www.harte--zeiten.de/artikel_203.html