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Der Freiherr und die Kröten
Über vermeidbare Zumutungen

„Von Beust unterstrich, dass die Lage ›unglaublich dramatisch‹ sei. ›Die Politik hat jetzt die Aufgabe zu handeln und auch gegen Partikularinteressen zu steuern.‹ Mit Wohlwollen reagierte die Handelskammer auf die Sparbeschlüsse. ›Ich erkenne ausdrücklich den Mut an, die Schuldenspirale nicht weiterzudrehen, sondern wirkliche Einschnitte bei den konsumptiven Ausgaben vorzunehmen‹, sagte Handelskammer-Präses Frank Horch. Das betreffe den IT-Bereich, den Personalbestand oder ›Absenkungen mit Augenmaß im Sozialbereich‹. Mit allen Maßnahmen zusammen könne es gelingen, ›die Zinsbelastung des Hamburger Haushalts einigermaßen im Griff zu behalten‹.“
Hamburger Abendblatt, „So spart der Senat“, 28. November 2009.

Der schwarz-grüne Senat hat beschlossen, bis 2013 solle „Hamburg“ 1,15 Milliarden Euro „einsparen“. Übersetzt bedeutet dies, daß die Hamburger Mehrheitsbevölkerung - nicht das von der Handelskammer vertretene Kapital und Unternehmertum - umfänglich auf Sozialleistungen (z.B. Hortplätze) verzichten soll, bei Schulspeisung, Kita-Gebühren, Sportvereinen, Kultureinrichtungen, Schwimmbädern und öffentlichem Personennahverkehr noch stärker zur Kasse gebeten wird, der öffentliche Dienst mehr schuften muß und die Verkehrsteilnehmer auf beunruhigenden Straßen, Rad- und Fußwegen rumeiern sollen.

Unzweifelhaft werden also im Rathaus vernünftige Anliegen wie solidarische Bildung für alle, die Überwindung der Kinderarmut (1/5 der Hamburger Kinder sind betroffen), menschenwürdige Gesundheitsversorgung, Behebung der Wohnungsnot, eine Ausweitung des öffentlichen Dienstes, aufgeklärte Kultur und sozial wie ökologisch verantwortliches Wirtschaften nicht als notwendige politische Handlungsziele zur Überwindung der Krise anerkannt. Vielmehr muß die Wirtschaftskrise für eine weitere Verschärfung der marktradikalen Standortpolitik herhalten, die auch mit grünen Einsprengeln unvermindert weiterbetrieben wird.

Die Handelskammer dankt es dem Senat mit warmen Worten und betreibt weiterhin Entlassungen, Lohnsenkungen, Kurzarbeit und Aussperrungen. Würgermeister von Beust schwört auf Zusammenhalt in „harten Zeiten“ und meint damit den Verzicht der Bevölkerung für besinnungslose Bankenrettung und die ebenso militaristische wie trügerische Verlängerung von weniger Brot und schlechteren Spielen (Tamm-Museum, Elbphilharmonie ...). Die Berliner Koalition wird aus der Verantwortung für die desaströse Steuersenkungspolitik gelassen. Eine Alternative thematisiert der nimmermüde ver.di Chef Hamburgs, Wolfgang Rose, der die Einführung einer nur 1-prozentigen Vermögenssteuer im superreichen Hamburg fordert, die der öffentlichen Hand allein 1 Mrd. Euro pro Jahr einbrächte.

Die Not ist hausgemacht. Menschengerechte Lebensbedingungen bedürfen der systematischen Opposition. Drum sind Kritik, Engagement und Solidarität die erfreuliche Gegenwart und Zukunft.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 1. Dezember 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_915.html