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Experten für Ausbeutung
Sie sollen unvoreingenommen, sachverständig und renommiert sein, aber sie sind es nicht: Die externen Gutachter, die mit Einwilligung der Hochschulpräsidenten und gegen den Protest der Hamburger Studierenden von Wissenschaftssenator Dräger im letzten Semester berufen wurden. Sie sollen bis Ende des Jahres ein "Strukturgutachten" zu Entwicklungsperspektiven der Hamburger Hochschulen vorlegen. Unter der Leitung von Ex-Bürgermeister Dohnanyi (vom rechten Flügel der SPD und seit 1982 Trendsetter mit seiner Wortschöpfung vom "Wirtschaftsstandort Hamburg") sollen sie an maximal acht Tagen zusammentreten und die Richtung für die Wissenschaftsentwicklung der nächsten Jahre
vorgeben.
Die "Experten", das sind zwar alles Leute mit akademischen Titeln; aber vor allem sitzen sie bei der Schering AG, BMW, dem Arbeitgeberverband und der Bertelsmannstiftung in den Führungsetagen. Unterstützt werden sie von der Unternehmensberatung McKinsey und vom CDU/Schilt/FDP-Senat, denn der nimmt die voraussichtlichen Ergebnisse ihrer Arbeit vorweg:
Mit der Vorlage eines "HochschulModernisierungsGesetzes" und der Ankündigung weiterer Gesetze zur Privatisierung der Hochschulen ist im letzten Halbjahr deutlich geworden, wohin die Reise gehen soll: Fächer, im Senatsduktus als "Wertschöpfungsbereiche" bezeichnet, sollen nur dann gefördert werden, wenn sie einen erkennbaren Beitrag zur Mehrung des Profits Hamburger Unternehmen leisten. Dies kann durchaus vielfältig geschehen, zum Beispiel durch pharmazeutische Forschung ebenso wie durch literarische oder kulturgeschichtliche Unterstützung eines vortrefflichen Kulturangebots, das Tourismus und die Wohlfühle reisender Geschäftspartner erhöht. Jura, BWL und große Teile der Medien- und Theaterfächer sollen ihres wissenschaftlichen Gehalts beraubt werden und von den Hochschulen an "Schools" (also Schmalspur-Akademien) ausgelagert werden. Gewollt ist also die totale Unterwerfung der Hochschulen unter die Verwertungsinteressen der Wirtschaft, die Kommission soll dem ganzen nur den Glanz gesellschaftlicher Beteiligung geben.
Wissenschaft, die das Wohl aller Menschen in den Mittelpunkt stellt, die Armut, Unterentwicklung, Ausbeutung, Krieg und Umweltzerstörung zu beenden sucht, in diesem Sinne also praxisorientiert ist, soll es nicht mehr geben. Deshalb sollen die relativ demokratischen Mitbestimmungsgremien der Uni weichen, deshalb sollen Wissenschaften und Wissenschaftseinrichtungen miteinander konkurrieren, auch wenn sie nur in Kooperation schnell und nutzbringend arbeiten könnten. Deshalb sollen Studierende sich als Kunden an der Uni fühlen anstatt als gestaltende Mit glieder derselben und müssen also Gebühren zahlen statt mitzubestimmen.
Die totale Unterwerfung aller gesellschaftlichen Bereiche unter die Mechanismen des unregulierten Marktes ist das ideologische Ziel neoliberaler Politiker - faktisch geht es um die besten Bedingungen für ungehemmte Profitsteigerung, egal welches soziale Elend, wieviel Krieg und alltägliche Zerstörung das mit sich bringt. Dafür sollen alle sozialen und demokratischen Errungenschaften (öffentliche Bildungseinrichtungen, Kranken- und Altersversorgung, Arbeitnehmerrechte, demokratische Beteiligung in öffentlichen Institutionen, öffentliche Förderung gesellschaftskritischer Kultur etc.) geschliffen werden.
Die Experten der externen Gutachterkommission sind als Repräsentanten weltweit agierender Konzerne vor allem Experten für kapitalistische Ausbeutung. Für soziale, demokratische und friedliche Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse fehlt ihnen die Expertise, denn sie haben nur Interesse an dem, was profitabel ist. Humanistische Wissenschaft, demokratische Hochschulen, gesellschaftlich sozialer Fortschritt und friedliche Entwicklung sind gegen die Wirtschaftsverbände, gegen den Hamburger Senat und gegen jene, die sich ihnen andienen, von uns allen zu erkämpfen.