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Zum Geleit XXVI

"Ich"
respektive
Der Irrtum der übergeordneten Besonderheit

1) Der Mensch
"Der Mensch ist ein Wirbeltier und hat eine unsterbliche Seele sowie auch ein Vaterland, damit er nicht übermütig wird."
Kurt Tucholsky, "Der Mensch", 1931.

Nachdem wir nun auf wundersame Weise Papst geworden sind und die unverkrampfte Party mit den drei wehenden Farben - regional spezial: mit den blöden blauen Leuchttoren -, dem einen Ball und unseren elf Jungs vorbei ist, wird deutlich, was vorher schon allen klar war: nichts ist besser als vorher. Übermut ist bislang ebenfalls nicht zu verzeichnen. Deshalb sind einige Überlegungen angebracht.

2) Wagnis
"Demokratie war den Deutschen ein leerer Begriff. Unter dem Kaiser war das suspekt, demokratisch zu sein - und es hieß damals so viel wie heute >bolschewistisch<, nämlich, nach dem Wort des klugen Geheimrats Krüger: >Bolschewistisch ist alles, was einem nicht paßt.<"
Kurt Tucholsky, "Macht und Mensch", 1920.

Demokratie als aufgeklärte Partizipation sozial verantwortlicher Subjekte, die sich in ihrer tätigen Gemeinsamkeit mit anderen selbst verstehen und als eigene Kultivierung kooperativ zur positiven Entwicklung der Bedingungen beitragen, Demokratie also auf Höhe der Zeit, wird meist recht klein geschrieben und bedarf dagegen einer Renaissance von Vernunft und Engagement.

3) Die Universität hat einen Ort
"Die Stadt Hamburg ist eine gute Stadt; lauter solide Häuser. Hier herrscht nicht der schändliche Macbeth, sondern hier herrscht Banko. Der Geist Bankos herrscht überall in diesem Freistaate, dessen sichtbares Oberhaupt ein hoch- und wohlweiser Senat."
Heinrich Heine, "Memoiren des Herren von Schnabelewopski", 1833.

Banko erhebt wieder stärker sein Haupt und schüttelt sein schütteres Haar. Der Senat bürstet derweil Bankos staubige Kleider.
Das Soziale flüchtet sich in die Ecke mit schlechtem Gewissen und raunt aufdringlich-schüchtern allen zu, sie mögen Gleiches tun.
Wer hier diesem schwach klingenden nachdrücklichen Appell folgt und sein Arrangement für besonders, geschickt und überlegen hält, leidet - nolens volens - Schaden an seiner Souveränität.

4) Ein Rückgriff in die Geschichte: Zukunft!
"Wir haben versucht, einzusehen, was Demokratie ist: sie ist der menschliche Ausgleich zwischen einem logischen Gegensatz, die Versöhnung von Freiheit und Gleichheit, der individuellen Werte und den Anforderungen der Gesellschaft. Dieser Ausgleich aber ist niemals vollendet und endgültig erreicht, er bleibt eine immer aufs neue zu lösende Aufgabe der Humanität; und wir fühlen, daß heute in der Verbindung von Freiheit und Gleichheit das Schwergewicht sich nach der Seite der Gleichheit und der ökonomischen Gerechtigkeit, vom Individuellen also nach der Seite des Sozialen verlagert."
Thomas Mann, "Das Problem der Freiheit", 1939.

Wenn die Bedrängungen hart werden, ist besonders hilfreich und menschlich, sich, über den Tag hinaus, mit widersprüchlicher Herkunft, widerstreitenden Möglichkeiten und erweitertem Ausblick, gemeinschaftlich zu begreifen. Die Universität hat eine maßgebliche politische Umgebung, die nicht so bleiben muß, wie sie ist.

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther
Hamburg, den 16. Oktober 2006

Veröffentlicht am Montag, den 16. Oktober 2006, http://www.harte--zeiten.de/dokument_524.html