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Zum Geleit VIII

Wohin des Wegs?

[Kommentar zum Hintergrund: Die geschäftsordnungsmäßige Maßregelung der Studierenden im AS geht vielen Mitgliedern zu weit. Die menschenverachtenden Auswirkungen der Einführung von ("Langzeit"-)Studiengebühren und des Verfalls der universitären Kultur und nützlicher Erkenntnisse unter dem Druck ständig neuer neoliberaler Diktate können und sollten nicht länger verharmlost und ignoriert werden. Die Universität und ihre Mitglieder brauchen eine positive Perspektive gemeinsamen Handelns. Nachdenklich werden Studiengebühren erneut vom AS abgelehnt. Die Frage ist dennoch weiterhin:]

1) Ewig auf und ab?

,,Till
Till Eulenspiegel zog einmal
mit andern über Berg und Tal.
Sooft als sie zu einem Berge kamen,
ging Till an seinem Wanderstab
den Berg ganz sacht und ganz betrübt hinab;
allein, wenn sie berganwärts stiegen,
war Eulenspiegel voll Vergnügen.
›Warum‹, fing einer an, ›gehst du bergan so froh,
bergunter so betrübt?‹ - ›Ich bin‹, sprach Till, ›nun so.
Wenn ich den Berg hinuntergehe
so denk ich Narr schon an die Höhe,
die folgen wird, und da vergeht mir denn der Scherz;
allein, wenn ich berganwärts gehe:
So denk ich an das Tal, das folgt, und faß ein Herz.‹"

Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)

,,Die Narren sind in der ganzen Welt platt und frostig und ekel; wann sie belustigen sollen, muß ihnen der Dichter etwas von dem Seinigen geben. (...)
Er muß sie aufputzen; er muß ihnen Witz und Verstand verleihen, das Armselige ihrer Torheiten bemänteln zu können; er muß ihnen den Ehrgeiz geben, damit glänzen zu wollen.“

Gotthold Ephraim Lessing, ,,Hamburgische Dramaturgie“, Zweiundzwanzigstes Stück, 1776.

Eulenspiegel bricht die Erwartungen einer spontanen Reaktionsweise und Stimmung, indem er eine Krümmung weiterdenkt und damit die Kraft für den Aufstieg gewinnt. Die Betrübnis während des Abstiegs hat geringere (negative) Folgen als die Freude Motor ist zur Zeit des Erklimmens. Des Narren Wahrheit sprengt die Beengung der scheinbaren Zwangsläufigkeit. Ein zusätzliches Wanderziel könnte alle Bögen überbrücken. Die vernünftige Antizipation bewegt alle nützlichen Handlungen.

2) Wer schaut hin und zieht Konsequenzen?

,,Auf der Straße liegt ein toter Mann. Der Deutsche legt ihn rechts; der Engländer prüft, ob er
sich etwa das Leben genommen hat; der Franzose klebt ihm eine Stempelmarke auf den Bauch -
und Mussolini läßt auf alle Fälle dementieren, er sei es gewesen.“

Kurt Tucholsky, ,,Nationales“, 1924.

Im Zweifel ist's Mussolini gewesen. Dem ist durch Beiseitelegen, durch die unverbrüchlich mißgünstige Annahme der finalen Selbstschädigung oder die amtlich-korrekte Behandlung der Sache Mensch nicht beizukommen. Der mutmaßliche Gewalttäter hat schlechte Gründe, die ernsthaft kritisch fundiert abzulehnen sind. Wer Zweifel hat, möge sich prüfen. Das mögliche Morden ist zu verhindern.

3) Wenn heute...

,,Wenn damals die deutsche Intelligenz alles, was Namen und Weltnamen hatte, Ärzte, Musiker, Schriftsteller, Künstler, sich wie ein Mann gegen die Schande erhoben, den Generalstreik erklärt, manches hätte anders kommen können, als es kam.“
Thomas Mann am 7. September 1945 an Walter von Molo zur Begründung seines Exils.

Auch ohne ,,Weltnamen“ mögen sich alle, deren Aufgabe das Geistige, Künstlerische und Humane ist, gegen die ,,Schande“, die in absichtsvoller Verdummung, Gewalt und Dekultivierung besteht, zu jeder - auch zu schaffenden - Gelegenheit erheben. Diese Gemeinschaft ist wirksam.
Möge manches anders kommen, als es soll.

4) Nahe Ferne

,,Glückliche Fahrt
Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!“

Johann Wolfgang v. Goethe, Lyrische Dichtungen, Weimar 1794-1797.

Der neue Mut zur Aufklärung bläht die Segel eines jeglichen Schiffs. Die ganze Crew ist dann froh. Das Handeln erhält durch die ergebnisreiche Wahrheitsfindung einen erweiterten Sinn. Auch wenn das auf der Hand liegende einstweilen verlacht wird, ist das Vorhandensein der Erkenntnis nicht zu eliminieren. Hie und da steht auf der Begreifensfläche ein nackter Kaiser und ist kleiner als vorher gemeinhin angenommen. Das Volk lacht und findet freudentränig Gefallen an der wahren Größe der Macht. So ist das Schaffen auf Du und Du mit der Emanzipation durch allgemein würdige Menschlichkeit. Unerreichtes ist näher gerückt.
Wer will diese Hoffnung verneinen?

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther
Hamburg, den 2. März 2005

Veröffentlicht am Mittwoch, den 2. März 2005, http://www.harte--zeiten.de/dokument_334.html