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,Positive Emotionen' oder Politik mit der Angst

Der Rechtssenat zum Jahreswechsel

"Mir persönlich hat dieses unfassbare Ereignis [die Flutkatastrophe] zudem auf drastische Weise verdeutlicht, dass wir in Deutschland und in Hamburg ein privilegiertes Leben führen: [...] Wir müssen unser System den geänderten Anforderungen anpassen, wenn wir die Qualität halten und weiterkommen wollen - auch und gerade im Interesse kommender Generationen. Deshalb sollten wir uns optimistisch den Herausforderungen stellen, neue Konzepte entwickeln und realisieren.
Eine solche positive Aufbruchstimmung, von der ich in Hamburg schon seit langem viel spüre, brauchen wir, denn wirtschaftlicher Aufschwung hängt eng von positiven Emotionen ab."

(Bürgermeister Ole von Beust zum Jahreswechsel, 30.12.2004)

Zum Jahreswechsel schlägt Ole von Beust einen rhetorischen Bogen von der Flutkatastrophe in Asien, die in erster Linie eine soziale ist, zu dem von ihm betriebenem Sozialstaatsabbau: Die "positiven Emotionen" von denen sich Ole von Beust den Aufschwung erhofft, sind nichts anderes als die blanke Existenzangst, die als ,Zufriedenheit' und ,Genügsamkeit' die Unterordnung und Zustimmung jedes Einzelnen unter das Primat des Profits befördert.

Deshalb wird für die gesteigerte Aussaugung der (potentiell) abhängig Beschäftigten hier auch gerne der Vergleich mit unterentwickelten Ländern herangezogen: Im Gegensatz zu denen gehe es uns doch ganz gut. Das durch Ausbeutung beförderte Elend in Südasien (Womit machen die großen Hamburger Kaufleute eigentlich traditionell Geschäfte?) wird zur Legitimation der neoliberalen Verarmungspolitik hier vor Ort herangezogen. Die soziale Ungleichheit soll hier wie dort weiter zugespitzt werden; der westdeutsch Sozialstaat sei zu schleifen. Bravheitsgebote und Verwertungsdogma sollen dafür sorgen, daß die Menschen ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse nicht zum Nutzen Aller (damit auch ihrer selbst) entfalten, sondern diese der optimalen Verwertbarkeit der Ressource Mensch dienen. Konkurrenz und Leistungsdruck in der gesamten Gesellschaft sei deshalb durch Privatisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche zu befördern. Der kulturelle und soziale Druck ständiger existenzieller Gefährdung soll jedem nahelegen, die als individuell erfahrene Probleme qua ,eigener Stärke' zu lösen.
Für die zukünftige Lieblingsstadt der Wirtschaft hieße dies, daß sozial und wirtschaftlich benachteiligte Gebiete am Rande der ,Boomregion' Hamburgs als zwingende Voraussetzung ihrer Existenz hinzunehmen seien, ebenso wie die globale Armut und Verelendung als Nebenwirkung des "privilegierten Lebens". Das Elend anderer sei uns Mahnung zum Dulden jeder Zumutung.

Die menschliche Stärke liegt jedoch nicht darin, mit allen Problemen allein (und auf dm Rücken anderer) klar zu kommen, sondern darin, gemeinsam mit anderen ein Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse als Ursache der allgemeinen Probleme zu entwickeln und auf dieser Grundlage solidarisch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen alltäglich praktisch zu bekämpfen, um sie zu überwinden.
Diese Erkenntnis schafft ernsthafte Verbundenheit, begründete Hoffnung und wirkt befreiend.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 5. Januar 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_208.html