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Zwischen Studiengebühren und Bafög

Daß die Situation an den Universitäten alles andere als rosig ist, erkennt jedeR Studierende, die/der sich die eigene Studiensituation vor Augen führt. Ob es um die Ausstattung der Fachbereiche oder um eine bedarfsdeckende Ausbildungsfinanzierung geht, es fehlt an allen Ecken. Und spätestens seit dem bundesweiten Studierendenstreik 1997 muß auch klar sein, daß sich diese Situation nicht ausschließlich vor Ort und innerhalb der Universitäten verändern läßt. Was für einen maßgeblichen Einfluß aber gerade auch die Universitäten auf politische Rahmenbedingungen nehmen kann, hat zum Beispiel unser Universitätspräsident Dr. Jürgen Lüthje im Laufe des letzten Jahres immer wieder bewiesen – allerdings mit einer Stoßrichtung, die unter den Studierenden keinen Beifall erhielt. Gerade Herr Lüthje war es nämlich, der die öffentliche Diskussion um Studiengebühren wieder verschärfte, indem er ein besonders ausgefeiltes System von verdeckten Studiengebühren ins Spiel brachte. Zum Glück gelang es diesem Vorstoß auf unsere Initiative hin mit einem eindeutigen Beschluß des Konzils der Universität Hamburg einen Riegel vorzuschieben. Über die Grenzen zwischen den Statusgruppen hinweg sprach man sich dort klar gegen jede Form von Studiengebühren aus. Hätte sich unser Präsident mit der gleichen Vehemenz für einen bedarfsdeckenden und sozial gerechten Ausbau der Ausbildungsfinanzierung eingesetzt, so wäre ihm wahrscheinlich nicht nur diese Niederlage im Konzil erspart geblieben, vielleicht wäre die Diskussion um die große Bafög-Reform auch bundesweit schon erheblich weiter. Die Universität mit ihren demokratischen Gremien und Vertretern kann also durchaus ein erheblicher politischer Faktor sein – wenn sie es denn will!

Bildung für alle

Dazu ist es aber notwendig zu klären, wohin sich denn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und in ihnen die Universität entwickeln sollen. Um diese Frage zu beantworten muß gerade auch an der Universität die demokratische Auseinandersetzung geführt werden. Da aber die Qualifikation, gesellschaftliche Probleme zu erkennen und Lösungen dafür zu entwickeln, eine wesentliche Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft ist, muß die entsprechende Bildung auch allen Menschen zur Verfügung stehen. Und da geht der Versuch Studiengebühren einzuführen genau in die falsche Richtung. Denn anstatt den Hochschulzugang weiter zu öffnen werden so neue Hürden aufgebaut, die bestimmte soziale Schichten, die eben nicht in der Lage sind die entsprechenden Kosten zu tragen, von einem universitären Studium ausgeschlossen.

Studiengebühren? Gibt's doch schon!

Studiengebühren sind eben nicht nur in anderen Bundesländern aktuell. Die ersten gebührenpflichtigen Kurse gibt es auch an der Universität Hamburg schon lange, und zwar die Sprachkurse, die eben nicht mehr kostenlos vom Zentralen Fremdsprachen Institut angeboten werden. Und diese Tendenzen werden eben auch zur Zeit weiter vorangetrieben, indem man kostenpflichtige Elitestudiengänge einrichtet, wie das International Centre for Graduate Studies oder die Europawissenschaften. Dem gilt es eben gerade auch in der akademischen Selbstverwaltung der Universität, im Konzil, im Senat und in den Ausschüssen entgegenzutreten. Genauso massiv muß aber auch ein bundesweites Verbot von Studiengebühren angestrebt werden.

Für ein soziales Bafög

Mit der Abwehr neuer Elitekonzepte und dem Verbot von Studiengebühren ist aber selbstverständlich noch nicht alles getan. Schon seit Jahren ist der Anteil der Studierende aus Einkommensschichten mit niedrigem Verdienst rückläufig – er liegt heute bei gerade noch 14%. Das ist kein Zufall. Denn während in den 70er Jahren noch bis zu 45% der Studierenden durch das Bafög gefördert wurden, sind es inzwischen nur noch 15%. Hinzu kommt, daß die Förderungshöhe, die dieser Gruppe noch zukommt, schon lange nicht mehr wirklich der Preisentwicklung angeglichen wird, und ein Teil der Förderung zudem in ein Darlehen umgewandelt wurde, so daß man sein Studium mit einem gewaltigen Schuldenberg beendet. Die geringfügige Erhöhung der Förderungssätze, die die neue Bundesregierung inzwischen beschlossen hat, reicht bei weitem nicht aus. Eine umfassende Bafög-Reform ist zwar angekündigt, wie sie aussehen soll ist aber durchaus noch nicht klar.

In der Hauptsache stehen sich drei Konzepte gegenüber. Aus den Reihen der Grünen wird immer noch der sogenannte Bundes-Ausbildungs-Förderungs-Fonds (BAFF) vertreten, obwohl man dort auch in den eigenen Reihen nicht mehr ganz sicher ist, ob es sich dabei um ein ausgegorenen Modell handelt. Dieser ist der endgültige Ausstieg aus einer staatlichen Ausbildungsfinanzierung. Diejenigen, die zur Finanzierung ihres Studiums auf den Fonds zugreifen müssen, haben später in der Regel ein Vielfaches der Summe in einer Art Akademiker-Sondersteuer zurückzuzahlen.

Die Alternative ist das vor allem vom Deutschen Studentenwerk entwickelte „Drei-Körbe-Modell“, das auch von der SPD favorisiert wird. Danach sollen alle Studierenden zunächst einen Sockelbetrag erhalten, der sie teilweise von ihren Eltern unabhängig macht. Bei besonderer Bedürftigkeit soll es aus dem zweiten Korb eine weitere Förderung geben, der dritte Korb bietet die Möglichkeit einer speziellen Examensförderung. Dieses Modell bietet zwar einige positive Ansatzpunkte, aber der Teufel steckt wie üblich im Detail. Es besteht die Gefahr, daß angesichts zu knapp bemessener Mittel auch hier wieder die Gruppe der zu fördernden Studierenden und die Höhe der Förderung viel zu gering ausfallen.

Eine Ausbildungsförderung, die es tatsächlich allen unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern ermöglicht ein Studium zu absolvieren, muß als staatlicher Vollzuschuß bedarfsdeckend und elternunabhängig gewährt werden. Der sogenannte „erste Korb“ wäre dafür zu einer entsprechenden Mindestsicherung auszubauen. Und in diese Debatte wird sich innerhalb des nächsten Jahres mit Sicherheit auch die Universität Hamburg und damit auch das neu zu wählende Konzil einzumischen haben.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht 1999, http://www.harte--zeiten.de/artikel_160.html