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Ist Politik immer korrupt?
oder
Wer oder was schafft eigentlich Allgemeinwohl?

„Wer in den letzten Monaten bei den Demonstrationen und Veranstaltungen rund um die Occupy-Gruppe in der Finanzhauptstadt Frankfurt war, begegnet ihnen überall: Banker der staatlichen KfW, selbstständige Aktienhändler, reihenweise Anwälte, Dozenten von Business Schools, Mitarbeiter von diplomatischen Vertretungen, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater. [...] Sie liefen durch die Straßen und riefen: »Brecht die Macht der Banken und Konzerne!« Und alle hatten sie dabei ein Lächeln auf den Lippen, bei manchen war es beinahe euphorisch.“

Lenz Jacobsen, „Mitten im Finanzsystem und doch dagegen“, zeit-online, 5. Januar 2012.

Vermeintlich liegt die politische Macht in den Händen gewählter Repräsentanten - nicht, roh und schlicht, bei den Reichsten. Das soll jedenfalls eine Republik vom Deutschen Kaiserreich oder jenen orientalischen Diktaturen, die gerade von der Weltbühne abgetreten wurden, unterscheiden.

Aber ein Kennzeichen der aktuellen Krise ist, daß die Existenz eben dieser Trennung zwischen politischer und ökonomischer Macht angezweifelt wird. Tatsächlich ist die Konzentration ökonomischer Macht eine Basis politischer Gewalt. Je größer die soziale Ungleichheit, desto größer auch die politische.

Für diese Zusammenhänge ist das Handeln des scheidenden Bundespräsidenten Wulff ein realer Aufklärungsbeitrag. Der erste politische Beamte des Staates ist nicht nur Schwiegermamas Liebling, sondern offenbar auch käuflich. Er hat nicht in erheblichem Maße Macht, sondern er wird gemacht und wieder fallen gelassen.

Seit 1998 der großdeutsche Kanzler Helmut Kohl sein Berliner Elefantenklo räumen mußte und in diesem Zusammenhang Partei- und Rüstungsspenden erheblicher Dimension zu Tage traten, seit dem wird Jahr für Jahr die systematische Verbindung von Wirtschaft und Politik (auch: „Lobbyismus“) öffentlicher.

Ein Trugschluß wäre, diese partikulare Interessenvertretung mit dem öffentlichen Druck gleichzusetzen, den z.B. Gewerkschaften, Umweltverbände, Sozialforen oder auch studentische Bewegung aufbauen: Gewinn oder Gemeinwohl, Vorteil oder Verantwortung sind gegensätzliche Orientierungen. Entsprechend ist der Modus der einen: Bestechung, Intrige, Propaganda („Medien“), Vorteilsnahme und Geschäft. Inhalt und Entwicklungsform der anderen sind: Öffentliche Aufklärung, Kritik und (internationale) Solidarität.

Die Exklusivität politischer Einflußnahme steht weltweit - durch verärgerte soziale Proteste, engagierten demokratischen Widerstand, kulturelle Bewegung und kritische Diskussionen mit dem Ziel menschenwürdiger Lebensverhältnisse - in Frage. Eine neue Phase der Demokratie beginnt so.

Dafür ist nicht „der Politik“, sondern einem System, das auf Käuflichkeit beruht, gründlich zu mißtrauen. Gleichzeitig wachse das Engagement für Frieden, vernünftige Arbeit, Bildung und Kultur.

Mit dem politischen Eingreifen der Vielen für einander steigt das allgemeine Wohl. Wird dieser Prozeß konsequent entwickelt, können kleine marktradikale Cliquen einpacken.

Alle können Allen Gutes tun.

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Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 9. Januar 2012, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1091.html