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Wissenschaft und Welt Ein gemeinsam zu bestimmendes Verhältnis

„Wenn einer eine Lampe erfindet, die jahrzehntelang nicht ausbrennen kann, dann wird die Erfindung von Lampenmachern gekauft, nicht damit solche Lampen nun hergestellt werden können, sondern damit sie nicht hergestellt werden können.“

Bertolt Brecht, „Über Erfindungen“, „Me-ti/Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.

„Die“ Wissenschaft ist keine unfehlbare Instanz. Wissenschaften, wie wir sie heute kennen, sind in ihrem Mainstream geschichtlich eng verwoben mit Industrialisierung, Kolonisierung und technologie-basierter Ausbeutung von Menschen und Umwelt. Sie liefern naturwissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche, kulturelle und geschichtliche Deutungen dafür.
Gegen diesen Mainstream gibt es eine andere Wissenschaft – inspiriert von sozialen, Friedens- und Ökologiebewegungen. Deren Fakten und Forderungen werden nicht nur in Bezug auf die notwendige Bekämpfung des Klimawandels derzeit stark in Öffentlichkeit und Politik diskutiert.

Damit stehen wir an den Universitäten vor der produktiven Herausforderung, Wissenschaft – und wissenschaftliche Bildung – für eine menschenwürdige Gegenwart und Zukunft neu zu bestimmen: Es ist nötig, zu sagen, was ist; aber es ist auch erforderlich, verstärkt zu entwerfen und zur Diskussion zu stellen, was sein soll und wie wir es erreichen. Wahrheit als Maß der Wissenschaft ist von dem Eintreten für menschenwürdige Bedingungen und Möglichkeiten nicht zu trennen.

Nun ist bekannt, dass nur 100 Konzerne seit 1988 für 71% des CO₂-Ausstoßes weltweit verantwortlich sind. Belegt ist, daß allein das US-Militär mehr CO₂ in die Luft pustet als 140 von knapp 200 existierenden Staaten, während es offiziell in 98 Ländern verheerend präsent ist. Man weiß, daß Ernährungssicherheit, würdiges Wohnen und Arbeiten, Bildung und Gesundheit für alle Menschen auf industrieller Basis längst möglich sind, aber stattdessen vielfach durch Gewinn- und Machtinteressen zunichte gemacht werden.

Frieden, soziales Wohlergehen und ein vernünftiges Verhältnis von Mensch und Umwelt erfordern also tiefgreifende systemische Änderungen: zum Beispiel wirkliche Demokratie in Betrieben und Gemeinwesen statt wenig beschränkter Profitorientierung – die Bevölkerung und Belegschaften, wissen mehrheitlich am besten, was gebraucht wird und geändert werden sollte. Eine Ausweitung von öffentlichen, genossenschaftlichen und lokalen Organisationsformen des Wirtschaftens, der Energiegewinnung und Mobilität befördert diese Prozesse. Unbedingt gehört die Beendigung jedes militärischen Unfugs dazu. Gebraucht wird hingegen eine soziale Bildungs- und Partizipationsoffensive, die alle zur Teilnahme an solchen Veränderungen ermutigt und befähigt. Und unverzichtbar sind für alles erhebliche öffentliche Investitionen – ohne „Schuldenbremse“ und mit ernsthafter Besteuerung des großen Geldes.

Initiativen mit diesem Inhalt und dieser Richtung sind auch an der Uni Hamburg engagiert unterwegs. Die menschenfreundliche Wirksamkeit von „Wissen“ entfaltet sich als Aufklärung in solidarischer, kritischer, fordernder, enttabuisierender und auch humorvoller Interaktion. So lässt sich gemeinschaftliche Souveränität gegenüber den Mächtigen gewinnen. Am besten ist, sich „Universität“ als kulturelle Praxis mit diesem Sinn anzueignen. Wer damit überzeugt beginnt, findet rasch Mitstreiter*innen.