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Wissenstransfer?

Ein realistischer Hinweis

„Zur Sicherung der Legitimation und Akzeptanz gegenüber den politischen Entscheidungsträgern einer traditionell kaufmännisch geprägten Stadtgesellschaft sollte das Profil der Universität besser mit dem Bedarf und der Nachfrage der Region abgestimmt werden. (...) Ausgehend von den eigenen definierten Kompetenzfeldern sollte ein Abgleich erfolgen mit den Wirtschaftsclustern, um ggf. aus der Wissenschaft heraus definierte zusätzliche transferrelevante Cluster für das Land Hamburg in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftseinrichtungen beim Senat zu platzieren und nach Möglichkeit gemeinsam zu etablieren. (...) Die Annahme ist: Wissenschaftscluster ziehen Wirtschaftscluster nach sich.“

Aus: Stifterverband: Transfer-Audit. Audit-Bericht der Universität Hamburg, 2018.

Vermittlung zwischen Wissenschaft und Praxis: Im Bewusstsein ihrer Verantwortung als Teil der Gesellschaft versteht sich die Universität Hamburg als Mittlerin zwischen Wissenschaft und Praxis, sie orientiert sich dabei an den Grundsätzen einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung. (...) Wissenschaft im Dienst der Menschen: Durch ein breites Angebot wissenschaftlicher Dienstleistungen sowie durch Krankenversorgung auf dem neuesten Stand der Forschung dient die Universität dem Wohl der Menschen und der Erfüllung öffentlicher und gesellschaftlicher Aufgaben.“

Aus dem Leitbild der Universität Hamburg (seit 1998).

Der „Stifterverband“ (seit 1920 organisierte Einflußnahme des deutschen Kapitals auf Wissenschaft) hat die Uni in Hinblick auf den „Wissenstransfer“ „auditiert“. Ein „Audit“ ist eine Begutachtung, ob institutionelle Prozesse gestellte Anforderungen erfüllen. Die Anforderung des „Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft“ ist, die öffentlich finanzierte und demokratisch verantwortete Forschung, Lehre und Bildung Geschäftsinteressen unterzuordnen. Das wird dann „Wissenstransfer“ genannt.

Die Uni Hamburg definiert hingegen nicht nur in ihrem Leitbild, sondern mit dem Engagement Vieler, ihren Gesellschaftsbezug anders: Bildung für die verantwortliche Wahrnehmung des Allgemeinwohls. Diese Bildung entfaltet in Schulen, Verwaltungen, Krankenhäusern, Praxen, Gerichten, Vereinen, NGOs, Kultureinrichtungen, Gewerkschaften, Krankenkassen, Verlagen, Medien und auch bei privaten Dienstleistern kontinuierlich Wirkung. Exemplarisch für sinnvollen Praxisbezug sind: Die Prävention von Erkrankungen und sozialer Isolation im Alter durch bewegungswissenschaftliche Forschung, die geschichtsbewusste Qualifizierung von Medienarbeiter*innen, die Aufklärung über das (post-)koloniale Erbe der Stadt, die Erforschung von Hürden der demokratischen Partizipation in Vereinen, Parteien, Gewerkschaften und Kommunen, die landeskundliche und Sprachbildung für international zivile Verständigung, die Klimaforschung, eine auf Demokratie, gute Produktion und Versorgung gerichtete Organisationsforschung oder die wissenschaftsgestützte Stärkung der Grundrechte.

Alle sollten sich fragen: Wem und wozu nützt es? Der Vernichtung von Arbeitsplätzen oder der Humanisierung von Arbeit? Der postkolonialen Ausbeutung oder der internationalen Entwicklung? Der demokratischen Aufklärung oder dem Marketing und dem Machterhalt? Der Pharma- und Geräteindustrie oder der gesundheitlichen Wohlentwicklung? Befreiender Solidarität oder dem Prinzip egoistischer Vorteilsnahme?

„Transfer“ ist keine Neuheit und muss auch nicht zentralisiert, controlled, gemanaged, angereizt und angeheizt werden, wie der „Stifterverband“ vorschlägt. Aber es lohnt sich, mit neuer Konsequenz im universitären Alltag und in der Öffentlichkeit darüber nachzudenken und den Gesellschaftsbezug der Wissenschaften bewusst zu bestimmen. Der „Dies Academicus“ zum Thema „Transformation unserer Welt: Forschendes Lernen für nachhaltige Entwicklung“ ist für Alle eine Möglichkeit, dies zu tun.