Menü | HomePublikationenBAE!: harte zeiten, Liste LINKS und FSB › vom

Auch Vernunft kennt kein Pardon

Ein Veranstaltungsbericht: ,,Sanierung am Grindel oder Umzug an den Kleinen Grasbrook?“

,,Man kann heute nicht mehr Wissenschaft betreiben wie in Zeiten der Aufklärung.“
Monika Auweter-Kurtz bei der Diskussion der Universitätsgesellschaft am 04.12.2008.

,,...Der Blick des Forschers fand Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte.“
Gotthold Ephraim Lessing, “Nathan der Weise”, 1779.

,,Unsere Universität Hamburg“ habe einen Traum, nämlich den vom Umzug auf den Kleinen Grasbrook. So leitete die Uni-Präsidentin ihr Plädoyer für einen Abriß und Neubau der Universität ein. Es folgte eine Reihung von neoliberalen Phrasen (,,Wettbewerb“, ,,Standort“, ,,Exzellenz“, ,,Spitze“, ,,Wachsende Stadt“), ergänzt mit Unwahrheiten (,,Aufschwung unserer Universität“, ,,steigende Studierendenzahlen“, ,,unerfüllbarer Raumbedarf“, ,,erheblich verbesserte Ausstattung“ durch Gebühren und Drittmittel, ,,keine Verfügungsflächen vorhanden“, ,,weite Teile der Bausubstanz sind marode“).

Kurz: Der Auftritt der Präsidentin zeugte von schlichter Unkenntnis der sozialen Situation der Studierenden sowie der realen baulichen Qualität und den Erfordernissen der Universität.

Dies wurde in der anschließenden Kontroverse mit Podium und Publikum deutlich: Der ehemalige Oberbaudirektor Egbert Kossak legte anschaulich dar, daß die Uni auf dem Kleinen Grasbrook keinen Platz und keine Integration in die Stadt findet. Er warnte vor Bauplänen, die 3,5 Mrd. Euro und mehr verschlingen würden. Jürgen Mantell, Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel, machte deutlich, daß die städtebauliche und soziale Zerstörung einer Uni-Verlagerung unverantwortlich wäre. (Der AStA-Vorsitzende und Realo-,,Juso“ Benjamin Gildemeister fand zwar viele ,,gute“ Argumente der Gegenseite, mag aber doch lieber in Eimsbüttel studieren.) Der erste demokratisch gewählte Präsident der Uni (1969-1991), Peter Fischer-Appelt, kritisierte scharf, daß die Pläne über die Mitglieder und Gremien hinweg geschmiedet werden. Außerdem zeugten sie von Unkenntnis gegenüber den sozialen Bedürfnissen und Entscheidungen, die der bisherigen Architektur der Uni zugrunde liegen. Er fragte, wer es wagen könne, die Universität aus ihrem geschichtlichen Umfeld zu reißen und damit den bewußten Bezug auf ihre wechselvolle Geschichte zu zerstören. Er folgerte, daß es sich um einen großen Betrug an der Öffentlichkeit handelt, der von den realen Herausforderungen für die Universität ablenken soll. Der zweite Uni-Präsident (1991-2006), Jürgen Lüthje, widerlegte die Behauptung von der ,,maroden Bausubstanz“ und wies darauf hin, daß das PI, das Rechtshaus, das Haupgebäude, der WiWi-,,Bunker“ und der Philturm sowie zahlreiche Gebäude an der Bundesstraße ganz oder teilweise für 200 Mio. Euro erneuert oder saniert wurden und erst mit den CDU-Senaten ab 2002 diese Bestrebungen zum Erliegen kamen. Der Kunsthistoriker Hermann Hipp lud die Präsidentin großzügig zu einem Rundgang ein, der die Statements der ehemaligen Präsidenten bekräftigen würde. Unsererseits wurde die Präsidentin nachdrücklich dafür kritisiert, daß die dienstfertige (bauliche) Zurichtung der Hochschule auf die ,,Wachsende Stadt“ der CDU (,,Cluster“-Wirtschaft und sozio-kulturelle Zerstörung) dem Uni-Leitbild (Wissenschaften für eine zivile, demokratische und gerechte Welt) widerspricht und gefragt, was mit der oben zitierten Absage an die Aufklärung gemeint sei. (Die Frage blieb unbeantwortet.) Außerdem wurde richtiggestellt, daß die Studierendenzahlen von Uni und ehemaliger HWP in 15 Jahren um knapp 10.000 Studierende gesunken sind, daß es fertige Pläne für die Sanierung und Vor-Ort-Erweiterung der Universität um ein Drittel seit langem gibt und daß die Präsidentin als Sachwalterin der CDU-Wissenschaftssenatorin durch ihr massives Eintreten für eine ,,Kooperation von privater Wirtschaft und Wissenschaft“ und für Studiengebühren bei gleichzeitiger strikter Kürzungspolitik den Rückzug des Staates aus der Hochschulfinanzierung schädigend betreibt.

Das zahlreiche Auditorium war nach der Veranstaltung noch stärker als zuvor von der Notwendigkeit und Möglichkeit einer zuträglichen Sanierung der Universität am bisherigen Ort überzeugt. Die Präsidentin ist zurückgerudert.

Da sitzt sie nun in ihrem Boot.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther, Golnar Sepehrnia & Christian Sauerbeck, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: FachschaftsBündnis - Aktive für demokratische und kritische Hochschulen,
harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Sonntag, den 7. Dezember 2008, http://www.harte--zeiten.de/artikel_798.html