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Liberal ist verkehrt
Ein beispielhaftes Extrem

Dr. Philipp Rösler: ,,Sicher gibt es Ministerien, wo man mit schönen Themen mehr Punkte sammeln könnte. Als Wissenschaftsminister auf Landesebene wäre ich zuständig für das Schöne, für das Reine, für das Gute auf der Welt. Könnte Ausstellungen eröffnen, könnte in die Hochschulen gehen, das wäre angenehm. Aber mein Sendungsbewusstsein und mein Gestaltungswille sind deutlich größer. Wir sind in die Regierung gewählt worden und haben Verantwortung zu übernehmen. Es geht jetzt darum, das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen (...).“
Bundes-,,Gesundheits“-Minister Rösler (FDP) im Interview mit ,,Die Welt“, 26.09.2010.

,,Die kleinsten Unteroffiziere sind die stolzesten.“
Georg Christoph Lichtenberg, ,,Einfälle und Bemerkungen“, Heft C, 1772-1773.

Die Financial Times Deutschland meldete am Wochenende: ,,Die Chemie und Pharma-Werte haben am Donnerstag zu den gefragtesten Werten im DAX gezählt.“ Der BASF-Konzern geht von einem Sommer-Quartalsgewinn von 1,96 Mrd. Euro aus. Das hat damit zu tun, daß die konservativ-liberale Bundesregierung sich ihre Gesetze von der Großindustrie schreiben läßt. Zum Beispiel die ,,Gesundheitsreform“: Jetzt sollen alle je zugelassenen Medikamente auch von Kassen und Ärzten als zweckmäßig akzeptiert werden. Kostspielige und zuweilen wenig hilfreichen Präparate werden so auf den Markt gepreßt. Zudem sind nicht allein die Beitragssätze für die gesetzliche Krankenversicherung einseitig zu Lasten der Erwerbstätigen angehoben worden. Es wurde darüberhinaus erlaubt, einkommensunabhängig Zusatzbeiträge von jedem Versicherten zu erheben. Rösler: ,,Das bedeutet auch endlich wieder Wettbewerb der Krankenkassen untereinander, und dies ist ein traditionelles liberales Ziel.“
Es soll also endlich alle Gleichmacherei in Gesundheitsfragen beseitigt werden. Keine Knete, keine Hilfe. Aber Gesundheit ist ein hohes Gut und das dusselige Volk ist bereit, dafür tief in die Taschen zu greifen. Ein simples Kalkül.

Die Konkurrenz und den sozialen Druck steigern, das können die freiheitlichen Demokraten. Nicht nur die reicheren Mittelständler, sondern die ganz großen Konzerne begünstigen und dabei die Bevölkerung für dumm verkaufen zu wollen, wird allerdings in der Öffentlichkeit nicht freundlich aufgenommen. Der Karrierismus führt über die Rücken der Mehrheit in die Hinterteile der geschäftlichen Schwergewichte. Das ist das Gegenteil von Emanzipation und auch von ,,Gestaltungswillen“. Das ,,freie“ Steigen und Fallen, die Abscheu gegen soziale Bezugnahme bis hin zur Befürwortung des Krieges sind menschenfern und wenig überzeugend. Die F.D.P kämpft nun schon seit Monaten in allen Umfragen mit der 5-Prozent-Hürde. Dabei sollte es bleiben.

Liberalität als Verneinung sozialer Vernunft ist vor allem die Abwesenheit von Verstand. Der Mensch ist kein Einzelwesen. Verbesserungen sind immer eine kooperative Angelegenheit. Eine neue Qualität wäre: Die gesellschaftliche Produktion (Pharma, Energie, Metall) auch in demokratische Verfügung zu bringen, die strikte Regulierung von Banken, sinnvolle Arbeit, Bildung und Kultur für alle und ohne Siegerzwang und kommerzielles Remmidemmi - das gibt dem gemeinsamen Handeln sinnvolle Orientierung. Die gesündeste Haltung ist aufrecht.
Und: Die Institutionen von Wissenschaft und Bildung sollten kein Erholungsheim für notorische Aufsteiger sein, oder?

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 27. September 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_978.html