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Dokumentation der Kontroverse um Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Universität in Eimsbüttel Juli 2008 bis Dezember 2009

Die Universität muß bleiben!

„Die ›Popularität‹ des Irrationalen: wo findet man diese Erscheinung noch einmal? Sie ist singulär, sie ist deutsch, sie kann sehr gefährlich werden, und oft wirkt sie unbeschreiblich komisch. Ich habe es erlebt, daß in einem Klub, der fast ausschließlich aus Männern der Wirtschaft besteht und in dem eine Diskussion über die gegenwärtige Weltkrise, ihre Ursprünge und die gegen sie etwa zu treffenden Maßnahmen in Gang gekommen war, ein Mitglied sich erhob und erklärte: Alle diese Vernunfterwägungen seien müßig, wenn sie nichts Schlimmeres seien. Die Wirtschaft sei wesentlich irrationales Gebiet, der Glaube an die Möglichkeit menschlicher Einflußnahme und Regelung durchaus hybrid, und im Mittelalter würde man Klüngeleien, wie die hier vorgebrachte, Gotteslästerung genannt haben. Er erzielte beschämte Zustimmung. Niemand wandte ihm ein, daß das die Abdankung des Menschengeistes bedeute und daß ein krassereres Manchestertum als dieses religiös Laisser-faire nicht zu erdenken sei. Sein Wort blieb das letzte.“

Thomas Mann, „Die Wiedergeburt der Anständigkeit“, 1931(!).



Inhalt

0. Editorial
I. Flugblätter
I.1. Gegen die Absicht der Zerstörung
I.2. Was ist die Alternative zum organisierten Stumpfsinn? Mehr Markt oder eine neue Aufklärung?
I.3. Scheinbar neu: Eine exemplarische Kontroverse um öffentliches Bauen
I.4. Auch Vernunft kennt kein Pardon – Ein Veranstaltungsbericht: „Sanierung am Grindel oder Umzug auf den Kleinen Grasbrook?“
I.5. Uni bleibt, um besser zu werden – Eine Ermunterung
I.6. Geschichtsbewußt vorausschauen – Aufgeklärter Humanismus statt profitable Blenderei
I.7. Kommerzielle Despotie oder solidarische Entfaltung?
I.8. Uni bleibt! Der Unsinn wird abgelehnt Bericht von der öffentlichen Anhörung des Wissenschaftsausschusses
I.9. Vernunft? Ja, Vernunft! Zum neunzigjährigen Geburtstag der Universität Hamburg
II. Gremienbeschlüsse
II.1. Beschluß des Fakultätsrats Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft: Plädoyer für den Verbleib und Ausbau des Campus in Eimsbüttel.
II.2. Beschluß des Fakultätsrats für Geisteswissenschaften: „Bauszenarien der Universität Hamburg“ – Perspektiven der Fakultät für Geisteswissenschaften
Die KandidatInnen


0. Editorial

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Kolleginnen und Kollegen –

als am 31. Dezember 2009 die „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ in der Hamburger Handelskammer zusammentrat, verlieh der Chef dieser anachronistischen Institution zur Organisierung sicherer Profite seiner Verärgerung über die CDU-Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach Ausdruck: Sie habe die Stellungnahme, in der die Handelskammer den behördlich vorgeschlagenen Uni-Umzug kaufmännisch begründet verwirft und sich für einen Verbleib der Universität im Grindel ausspricht (aber auch ihren Neubau auf dem Gelände des Großmarkts zur möglichen Alternative erklärt), von einem parteiischen Schiedsrichter, dem Verfahrensbeteiligten Architekturbüro gmp, „prüfen“ lassen und auf dieser unredlichen Basis verworfen. Damit ist von ungewohnter Seite Kritik am uneinsichtigen Konservatismus geäußert. Diese Kritik trifft doppelt.

Denn die Senatorin steht seit dem Weggang der ehemaligen Uni-Präsidentin Auweter-Kurtz einsam verhärtet für das Ansinnen, die Universität als Ort demokratisch-humanistischen Eingreifens in ihrer baulich-kulturellen Substanz zu zerstören. Die elitäre Senatorin will von ihrer notorischen Überforderung bezüglich einer realen notwendigen Verbesserung der sozialen, wissenschaftlichen, strukturellen und kulturellen Lage an den Hochschulen ablenken. Auch soll dem erstarrten neoliberalen Regime der „Wachsenden Stadt“ ein Forum kritischer Vernunft vom Halse geschafft werden – durch eine Kombination von baupolitischer Kulturbarbarei und hohlen Versprechungen. Der Kleine Grasbrook wird deshalb gebetsmühlenartig als Paradies wertgeschätzter Lehre und Forschung gepriesen. Ein unchristlicher Schelm, wer an Erlösungsphantasien zweifelt ...

Der surreale Plan der Wissenschaftsbürokratin Bonner Schule stößt also auf Widerspruch, selbst in Reihen Konservativer und beim grünen Koalitionspartner. Es liegen diskussionswürdige Alternativen u.a. aus der Handelskammer, von einem ehemaligen Oberbaudirektor, aus dem Bezirk Eimsbüttel und aus der Universität vor. (Keiner davon hat bisher mehrere Millionen Euro verschlungen, wie der von Unternehmensberatungen und Architektenbüros realisierte Behördenvorschlag.) Die Oppositionsparteien in der Bürgerschaft sind eindeutig für eine baldige Uni-Sanierung und Erweiterung. Und man schüttelt verärgert den Kopf über den Größenwahn, in Zeiten schwerer gesellschaftlicher und ökonomischer Krisen das soziale und kulturelle Leben mit einem weiteren überteuerten und banal ruhmsüchtigen Mammutprojekt belasten zu wollen.

Die Eindeutigkeit dieser Weltanschauungen übergreifenden Haltung ist auf die humanistische Substanz der ersten demokratisch gegründeten Universität im deutschen Sprachraum und auf ihre qualifizierte Aktualisierung durch studentisches Engagement zurückzuführen. Nicht zuletzt hat eine Unterschriftenaktion „Die Universität soll bleiben“ mit bisher über 15.000 Unterschriften dazu beigetragen (www.uni-bleibt.de).

Wir dokumentieren in dieser Broschüre anhand unserer Flugblätter den Verlauf der Auseinandersetzung. Auch finden sich hier die bisherigen Beschlüsse akademischer Gremien. Eine Beschlußfassung des Akademischen Senats für eine systematische, sozial sinnvolle und kulturell emanzipatorische bauliche Entfaltung der Universität im Grindel steht noch aus und sollte dringend ergänzt werden, zumal eine Entscheidung des Senats nun plötzlich für den März 2010 avisiert wurde. (Der inthronisierte Präsident Dieter Lenzen will sich nicht als Buhmann dieser verfehlten Maßnahme einführen.) Zur Gesichtswahrung scheint die Senatorin sich jetzt auf den Vorschlag eines Teilumzuges, nämlich der MIN-Fakultät, zu versteifen. Der Bogen bleibt auch damit überspannt. Nicht die Universität, die Senatorin sollte umziehen.

Wer in der Gegenwart Verbesserungen erreichen will, darf sich nicht auf die Zukunft vertrösten lassen und dafür das Bewußtsein der Geschichte preisgeben. Die Debatte um die bauliche Zukunft der Universität gehört auf die Füße gestellt: Vernunft als Schönheit, Bildung als Emanzipation, Bauen als menschengerechte Gestaltung – so hat Wissenschaft ihren Sinn und Ort.

Wir wünschen eine erhellende Lektüre.

Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten, FachschaftsBündnis


I. Flugblätter des Bündnisses für Aufklärung und Emanzipation! (BAE!)


I.1. Gegen die Absicht der Zerstörung:

Die Universität muß bleiben, um sich positiv zu entwickeln
(10.Juli 2008)

„Aus Lügen werden durch längeren Gebrauch – nicht Wahrheiten, aber Tatsachen.“

Heinrich Mann, „Zur Zeit von Winston Churchill“, 1944, S. 21.

Die CDU Hamburgs, ihre „neue“ Wissenschaftssenatorin Gundelach und die ebenso notorisch konservative Uni-Präsidentin Auweter betätigen sich mit den Überlegungen zur Zerstörung der Universität und ihrer retortenmäßigen Neuerrichtung in der seelenlosen Hafencity als politische Gegnerinnen aufgeklärter Politik und (akademischer) Kultur. Als devote Handlagerinnen der Handelskammer verfolgen sie das Programm der marktkonform wuchernden Stadt. „Glanz“ (Elbphilharmonie) und „Gloria“ (Tamm-Museum) für große Geschäfte und die dazugehörige Elite sollen das kalte Zentrum der Stadt prägen. Die Bevölkerung soll in ihrer überwiegenden Mehrheit den Prinzipien der geschäftsmäßigen Instrumentalisierung und konformen Qualifizierung unterworfen und ansonsten polizeilich und kulturell „befriedet“, sozial bedrängt und – wenn nötig – verdrängt werden. Nicht zuletzt aus der Universität hat dieses menschenverachtende Programm Gegenwehr erfahren. Der fortgesetzte Kampf gegen die Gebühren ist hierfür exemplarisch.
Gleichsam instinktiv und von den großen Geschäften getrieben wird deshalb auch nach den Neuwahlen im Februar wesentlich nicht von dem zerstörenden neoliberalen Kurs aufreibender „Reformen“ Abstand genommen. Konservativ kann auch bräsig bedeuten.
Der Campus der Universität und all seine Gebäude haben in den letzten drei Jahrzehnten viel zu wenig systematische Pflege und Entwicklung erfahren. Das läßt sich ändern. Aber die Substanz dieser Anlage zeugt von dem gesellschaftlichen Aufbruch v.a. der 1960er und 1970er Jahre. Das Audimax symbolisiert vorausahnend mit seiner transparenten und leichten Architektur die Absicht der Demokratisierung der Universität und ihrer Öffnung für die ganze Gesellschaft nach 1945. Der Phil-Turm ist teilweise mit hochwertigen Baustoffen (Granit und Edelhölzer) und einer funktionalen Architektur darauf ausgerichtet, die soziale Öffnung der Universität zur „Massen-Hochschule“ als eigene Qualität zu würdigen. Das PI hat nur einen Hörsaal, weil tendenziell egalitäre Lehr-Lernformen (Seminare) die hierarchisch-frontale Beschallung in Vorlesungen ablösen sollten. Die Hörsäle des PI und des Hauptgebäudes sind zum mahnenden Gedächtnis nach WissenschaftlerInnen benannt, die nach 1933 unter rassistischer und politischer Verfolgung zu leiden hatten (Anna Siemsen, Ernst Cassirer et. al.). Dieses – nur unvollständig dargestellte – Ensemble, ist ein lebendiger und entwickelbarer Ausdruck sozialer und humanistisch orientierter Kämpfe für gesellschaftlich verantwortliche Bildung und Wissenschaft: für Alle.
Schon der Gedanke an die Plünderung, Verscherbelung und Zerstörung dieses Erbes ist Kulturbarbarei. Sie demonstriert, welche positive Wirksamkeit dagegen kritisches Geschichtsbewußtsein, sozialer Einsatz und menschenfreundliche Künste haben: Vernunft und Schönheit schränken die rücksichtslose Durchsetzung des totalen Marktes ein, sind zentrale Elemente der menschlichen Emanzipation und tragen somit den Keim des wahrhaft Neuen und Humanen in sich. Auf dieser Seite findet sich die Grundlage einer perspektivreichen Handlungsweise. Alles was dagegen gerichtet ist, schadet gesellschaftlich und persönlich und verdient daher uneingeschränkte solidarische Opposition. Daran soll es nicht fehlen. Die Marktfrommen haben sich gewaltig verrechnet.


I.2. Was ist die Alternative zum organisierten Stumpfsinn?

Mehr Markt oder eine neue Aufklärung?
(5. August 2008)

„Die Stadt Hamburg ist eine gute Stadt; lauter solide Häuser. Hier herrscht nicht der schändliche Macbeth, sondern hier herrscht Banko. Der Geist Bankos herrscht überall in diesem Freistaate, dessen sichtbares Oberhaupt ein hoch- und wohlweiser Senat.“

Heinrich Heine, „Memoiren des Herren von Schnabelewopski“, 1833.

„Was sich nicht rechnet, darf nicht bleiben“ textete der Künstler Michael Batz im „Hamburger Jedermann“. (Er hat seine ironische Weisheit inhaliert und verkauft sich nun im Hafen als Szeneausleuchter – „blau“ – der Wachsenden Stadt.)
„Was sich nicht rechnet, darf nicht bleiben“ ist auch die Ideologie, der die Wissenschaftssenatorin Gundelach und die Uni-Präsidentin Auweter anhängen. Aus diesem zweifelhaften Motiv erwägen sie, die Universität einzustampfen und den Campus auf den Kleinen Grasbrook an die eckig-öde Hafen-City zu verlegen. Dabei geht es um „Renomée“ und um die Zerstörung kritisch-aufklärerischen Erbes, keinesfalls um Vernunft. Die Degradierung von Bildung, Wissenschaft und Mensch zum Standortfaktor soll auch insbesondere baulich verordnet werden.
Es wäre ein Irrtum, daß diese tumbe Phantasie der Verbesserung der Lehr-, Lern- und Forschungsbedingungen diene und in diesem Zusammenhang kostengünstig sei. Tatsächlich sind in die vollendeten Sanierungen am Campus (Rechtshaus, PI, Philturm-Fassade, ESA, Audimax, Pferdestall-Foyer sowie riesige Neu- und Umbauten in der Bundesstraße) schon viele kluge Gedanken, Arbeitsstunden und etliche Millionen Euro investiert worden. Außerdem wäre selbst ein substanzerhaltender, aber gestalterisch großzügiger Umbau der promblematischen Gebäude „Wiwi-Bunker“ und Geomatikum mindestens um das 15-fache günstiger als ein Abriß und Neubau. Zu berücksichtigen ist zudem, daß die Verwertung der alten, hochwertigen Bausubstanz eine höhere Qualität verspricht als alle Universitäts-Gebäude, die unter den Vorzeichen neoliberaler Hochschulmodernisierung gebaut sind. Auch könnte selbst die von der Präsidentin angemeldete Erweiterung der Universitätsfläche um ein Drittel vor Ort realisiert werden. (Es fragt sich allerdings: wofür? Denn die Uni – inkl. HWP – hat etwa 8.000 Studierende weniger als zu ihren Hochzeiten. Daran würde erst eine weitgehende demokratische Bildungsreform etwas ändern.)
Die Androhung der brachialen Umgestaltung hat also auf keinen Fall zur Folge, das humanistisch-universell Nützliche als das wahrhaft Schöne bzw. Praktische zur Geltung zu bringen. Sie dient vielmehr ebenso der Ablenkung von den schon jetzt überdimensionierten Problemen der Hochschule nach einer langen Phase betriebswirtschaftlicher Deformationen und der Verhinderung von kritischer Kooperation zur Verbesserung der Lage. Auch soll wohl der Weg für die Durchsetzung wissenschaftlich, politisch und funktional zweifelhafter Private-Public-Partnership-Verträge (z.B. für das Geomatikum) freigeräumt werden. Derweil kumulieren die Probleme – inhaltlich, strukturell und baulich.
Schlicht bedenklich ist schon pure Eitelkeit. Wie bedenklich ist erst, diese auf konzeptionelle Grobheit zu gründen?
Der Bogen ist somit zum Reißen gespannt.
Die Verbesserung der architektonischen Gestaltung der Universität setzt stattdessen eine Renaissance kritischer Verantwortung der Wissenschaften für die Gesellschaft, eine Neubelebung demokratischer Partizipation und sozialer Öffnung voraus. Dafür lohnt es sich, kooperativ zu streiten: Wider die entwürdigende Versetzung der Universität!


I.3. Scheinbar neu:

Eine exemplarische Kontroverse um öffentliches Bauen
(8. September 2008)

„Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Lothar Streitferdt, der sich seit 30 Jahren mit Fragen der öffentlichen Finanzierung befasst, verweist darauf, dass das Problem explodierender Baukosten auch in der Privatwirtschaft besteht. »Hauptmangel ist, dass sich der Umfang komplexer Bauvorhaben im Vorfeld schwer kalkulieren lässt und dass die Baufirmen bei den Ausschreibungen immer dazu gezwungen sind, ein möglichst knapp bemessenes Angebot abzugeben.« Einen Unterschied gebe es zwischen privaten und öffentlichen Bauvorhaben dennoch: »Stellt man fest, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, werden private Bauvorhaben verkleinert. Der Staat schießt die fehlende Summe hingegen nach.«

Die Welt, „Warum kann die Stadt nicht richtig planen?“, 6. September 2008, html.

Die Kosten der Elbphilharmonie – ein elitäres Bauprojekt – explodieren. Durch die ökonomische Konkurrenz sinken der Realitätssinn und die Planungsredlichkeit der Beteiligten. Hier offenbart ein allgemeines Problem seine schädliche Konkretion. Ähnliches wäre für die von der Wissenschaftssenatorin geplante Verlagerung der Universität zu erwarten. Neue Uni-Bauten würden angeblich nur 400-500 Millionen Euro kosten. Tatsächlich sind an der Uni (ohne UKE) jüngst ca. 160 Mio. Euro zur Teilsanierung investiert worden. Neben dem Geomatikum steht ein ganz neues Zentrum für maritime und atmosphärische Wissenschaften (ZMAW). Auch wird dort ein älteres Gebäude für 30 Mio. Euro umgebaut und für mindestens ebenso viel Geld zum Klimarechenzentrum umgerüstet. Der für die Umsiedlung in Aussicht genommene Kleine Grasbrook (südlich der Hafencity) ist – ÖPNV-mäßig kaum erschlossen – zu klein, um eine Erweiterung der Uni zu ermöglichen, der Boden ist infolge der Hafenwirtschaft vermutlich gründlich verseucht. Hochwassernasse Füße wären einzuplanen. Die Umsiedlungkosten für Studierendenwerk und StaBi sind nicht einkalkuliert worden. Schlecht und teuer schließen sich also überhaupt nicht aus.
Die CDU-Pläne sind eine dümmliche Kampfansage. Das architektonisch gefaßte Erbe der tatsächlichen Reformuniveristät (große Gebäudekapazitäten für soziale Offenheit; historisches Gedenken wie für den Hamburger Zweig der Weißen Rose im Audimax; viele kleine Räume für kleine Lerngruppen; bedarfsorientiert gestaltbare Verfügungsgebäude; für Proteste / Feiern / Ausstellungen / gestaltbare Foyers etc.) soll verscherbelt werden, um eine hierarchisch strukturierte Retortenuniversität zu errichten. Möglichst abwaschbar. Mindestens soll die Uni für ein Private-Public-Partnership mürbe gemacht werden. Das haben Senatorin und senatskonforme Uni-Präsidentin immer fest im Visier.
Das zweckmäßig Gute soll also einer zweifelhaften Phantasterei weichen? Kein Wunder, daß die Erinnerung an humanistische Streiter wie Carl von Ossietzky, Martin Luther King und Salvador Allende durch die nach ihnen benannten Gebäude und Plätze das Unbehagen der strammen Konservativen gegenüber der Universität Hamburg fördert. Sie schwärmen für plattes Hanse-„Retro“, Stahl, Glas und glatte Oberflächen am Windhoek-Kai: technisierte Romantik in schlechter deutscher Tradition! So soll’s von der errungenen Kultur einer halbwegs demokratischen Massenuniversität in die Barbarei einer entseelten Lernfabrik gehen.
Aus diesen Gründen regt sich erheblich Widerstand an der Universität und in den angrenzenden Stadtteilen. Gegen die Umsiedlung der Universität sind bisher schon über 3.000 Unterschriften gesammelt worden (Stand 13.09.2008). (www.uni-bleibt.de)
Soweit die Konkurrenz dominiert, fällt es schwer, sich vernünftig bzw. verantwortungsvoll mit seinen Mitmenschen darüber zu verständigen, was für Alle das Vorteilhafteste ist. Konkurrenz ist dem humanen Fortschritt wesensfremd. Gegen diese nicht menschenwürdige Dominanz sind Wissenschaft, Alltagskultur und politisches Engagement wieder neu zu bestimmen.
Die Senatorin und die Präsidentin könnten ihrem Unbehagen mit der historisch gewachsenen Universität schnell wirksam und kostensparend Abhilfe verschaffen: Sie sollten zurücktreten.


I.4. Auch Vernunft kennt kein Pardon

Ein Veranstaltungsbericht:
„Sanierung am Grindel oder Umzug auf den Kleinen Grasbrook?“
(7. Dezember 2008)

„Man kann heute nicht mehr Wissenschaft betreiben wie in Zeiten der Aufklärung.“

Monika Auweter-Kurtz bei der Diskussion der Universitätsgesellschaft am 04.12.2008.

„...Der Blick des Forschers fand nicht selten mehr, als er zu finden wünschte.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Nathan der Weise“, 2. Akt., 7. Auftritt, 1779, html.

„Unsere Universität Hamburg“ habe einen Traum, nämlich den vom Umzug auf den Kleinen Grasbrook. So leitete die Uni-Präsidentin ihr Plädoyer für einen Abriß und Neubau der Universität ein. Es folgte eine Reihung von neoliberalen Phrasen („Wettbewerb“, „Standort“, „Exzellenz“, „Spitze“, „Wachsende Stadt“), ergänzt mit Unwahrheiten („Aufschwung unserer Universität“, „steigende Studierendenzahlen“, „unerfüllbarer Raumbedarf“, „erheblich verbesserte Ausstattung“ durch Gebühren und Drittmittel, „keine Verfügungsflächen vorhanden“, „weite Teile der Bausubstanz sind marode“).
Kurz: Der Auftritt der Präsidentin zeugte von schlichter Unkenntnis der sozialen Situation der Studierenden sowie der realen baulichen Qualität und den Erfordernissen der Universität.
Dies wurde in der anschließenden Kontroverse mit Podium und Publikum deutlich: Der ehemalige Oberbaudirektor Egbert Kossak legte anschaulich dar, daß die Uni auf dem Kleinen Grasbrook keinen Platz und keine Integration in die Stadt findet. Er warnte vor Bauplänen, die 3,5 Mrd. Euro und mehr verschlingen würden. Jürgen Mantell, Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel, machte deutlich, daß die städtebauliche und soziale Zerstörung einer Uni-Verlagerung unverantwortlich wäre. (Der AStA-Vorsitzende und Realo-„Juso“ Benjamin Gildemeister fand zwar viele „gute“ Argumente der Gegenseite, mag aber doch lieber in Eimsbüttel studieren.) Der erste demokratisch gewählte Präsident der Uni (1969-1991), Peter Fischer-Appelt, kritisierte scharf, daß die Pläne über die Mitglieder und Gremien hinweg geschmiedet werden. Außerdem zeugten sie von Unkenntnis gegenüber den sozialen Bedürfnissen und Entscheidungen, die der bisherigen Architektur der Uni zugrunde liegen. Er fragte, wer es wagen könne, die Universität aus ihrem geschichtlichen Umfeld zu reißen und damit den bewußten Bezug auf ihre wechselvolle Geschichte zu zerstören. Er folgerte, daß es sich um einen großen Betrug an der Öffentlichkeit handelt, der von den realen Herausforderungen für die Universität ablenken soll. Der zweite Uni-Präsident (1991-2006), Jürgen Lüthje, widerlegte die Behauptung von der „maroden Bausubstanz“ und wies darauf hin, daß das PI, das Rechtshaus, das Haupgebäude, der WiWi-„Bunker“ und der Philturm sowie zahlreiche Gebäude an der Bundesstraße ganz oder teilweise für 200 Mio. Euro erneuert oder saniert wurden und erst mit den CDU-Senaten ab 2002 diese Bestrebungen zum Erliegen kamen. Der Kunsthistoriker Hermann Hipp lud die Präsidentin großzügig zu einem Rundgang ein, der die Statements der ehemaligen Präsidenten bekräftigen würde. Unsererseits wurde die Präsidentin nachdrücklich dafür kritisiert, daß die dienstfertige (bauliche) Zurichtung der Hochschule auf die „Wachsende Stadt“ der CDU („Cluster“-Wirtschaft und sozio-kulturelle Zerstörung) dem Uni-Leitbild (Wissenschaften für eine zivile, demokratische und gerechte Welt) widerspricht und gefragt, was mit der oben zitierten Absage an die Aufklärung gemeint sei. (Die Frage blieb unbeantwortet.) Außerdem wurde richtiggestellt, daß die Studierendenzahlen von Uni und ehemaliger HWP in 15 Jahren um knapp 10.000 Studierende gesunken sind, daß es fertige Pläne für die Sanierung und Vor-Ort-Erweiterung der Universität um ein Drittel seit langem gibt und daß die Präsidentin als Sachwalterin der CDU-Wissenschaftssenatorin durch ihr massives Eintreten für eine „Kooperation von privater Wirtschaft und Wissenschaft“ und für Studiengebühren bei gleichzeitiger strikter Kürzungspolitik den Rückzug des Staates aus der Hochschulfinanzierung schädigend betreibt.
Das zahlreiche Auditorium war nach der Veranstaltung noch stärker als zuvor von der Notwendigkeit und Möglichkeit einer zuträglichen Sanierung der Universität am bisherigen Ort überzeugt. Die Präsidentin ist zurückgerudert.
Da sitzt sie nun in ihrem Boot.


I.5. „Uni bleibt“, um besser zu werden –

Eine Ermunterung
(27. Februar 2009)

„Die leitenden Staatsmänner und Generale übernehmen ›die Verantwortung‹ für das Schicksal, das sie den Völkern auferlegen. [...]
Und in der Tat haben jederzeit die Verantwortlichen auch nur dann die Konsequenz aus ihrer Übername der Verantwortung ziehen müssen, wenn das Volk Geschichte gespielt hat.“

Alfred Polgar, „Verantwortung“, 1919, pdf.

Die feuchten Pläne der Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach, die Universität in die Elbe zu versenken, sind noch nicht gänzlich irrelevant. Eine Verlegung der gesamten Einrichtung auf den Kleinen Grasbrook ist allerdings zunehmend unwahrscheinlich.
Gegen den Realwitz spricht das deutliche Contra von Universitätsmitgliedern und Anwohnern, das bisher in knapp 10.000 Unterschriften für den Verbleib und die vernünftige Sanierung zum Ausdruck kommt. Auch haben bereits das Studierendenparlament und die Fakultätsräte Erziehungswissenschaft / Psychologie / Bewegungswissenschaft sowie Geisteswissenschaften kritisch Stellung genommen. Die ehemaligen Universitätspräsidenten, ein Oberbaudirektor a.D., Stadtplaner, Kunsthistoriker und Architekten haben begründet und öffentlich opponiert. Die Bezirksversammlung Eimsbüttel hat parteiübergreifend die Universität verteidigt. Die LINKE und die SPD in der Bürgerschaft sind eindeutig in der Ablehnung des wahnwitzigen Vorhabens. Auch bei GAL und CDU rührt sich eine lauter werdende Ablehnung. Und selbst die Handelskammer entzieht dem politischen Senat an diesem Punkt ihre Unterstützung.
Gemeinsamkeiten der Kritik liegen bei der zu erwartenden Verschwendung von menschlicher Geduld, Arbeitskraft und gesellschaftlichen Ressourcen. Auch gilt der Ort der geplanten Neuerrichtung als dezentral und unzulänglich; er wird genutzt und ist verplant. Zudem ist hinlänglich bekannt, daß die mangelnde Pflege, Erneuerung und Kapazität der bisherigen Gebäude durch dieselben politischen Akteure verschuldet ist, die nun protzige Umzugs-Pläne verfolgen.
Die eigentliche Quelle der senats-kritischen steifen Brise ist allerdings, daß die Universität als demokratische Gründung den Leitlinien der Aufklärung nicht nur in Bildung und Wissenschaft, sondern auch in ihrer architektonischen Formgebung entsprechen sollte. Sie ist „im Herzen der Stadt“ gewachsen, mit der jüdischen Tradition des Grindelviertels bewußt verbunden und in ihrer baulichen Gestaltung ist sie Ausdruck der zivilisatorischen Durchbrüche von 1919, 1945 und 1968. So schafft sie – wenn sie sich kritisch zu ökonomistischer Einflußnahme und politischer Willkür entwickelt – rundherum eine Kultur gesellschaftlich vernünftiger Entwicklungsfreude. Dafür gibt nach wie vor kritisches studentisches Engagement den Takt an.
Die Senatorin versucht nun aus der selbstkonstruierten Falle zu entkommen, indem sie einen Teilumzug der MIN-Fakultät nahelegt. Doch auch diese Vision ist Nonsense. Die Universität ist im besseren Falle eine Kooperationsgemeinschaft von Natur- und Gesellschaftswissenschaften – auch örtlich und baulich.
Wegen des großen Drucks soll es nun doch ab April eine halbwegs öffentliche Diskussion zu den Verlagerungsplänen geben. Ende des Jahres soll dann die Bürgerschaft entscheiden.
Wachsame Einmischung ist also weiter geboten. Die Zeit der kleineren und größeren Übel sollte beendet werden. Opposition ist Trumpf. Und sticht.


I.6. Geschichtsbewußt vorausschauen:

Aufgeklärter Humanismus statt profitable Blenderei
(14. April 2009)

„Kauf’ mich, nimm’ mich, knack’ mich, dusch’ mich,
schluck’ mich, hack’ mich, reiß’ mich auf!
Trag’ mich, grapsch’ mich, pack’ mich, nasch’ mich,
schütt’ mich, zeig’ mich, setz’ mich auf!
Koch’ mich, brat’ mich, schwitz’ mich, crem’ mich,
heiz’ mich, spreiz’ mich, steck’ mich an!
Seif’ mich, greif’ mich, schleif’ mich, keif’ mich,
rotz’ mich, glotz’ mich, zieh’ mich an!
Wünsch’ mich, lieb’ mich, drück’ mich, knick’ mich,
lutsch’ mich, friss’ mich, leck’ mich aus!
Schlemm’ mich, schmatz’ mich, mix’ mich, fix’ mich,
bitt’ mich, küss’ mich, quetsch’ mich aus!“

Michael Batz, „Der Hamburger Jedermann“, 1994. (Chor für den Mensch als Warensammlung.)

Wissenschaftsbeamtin Gundelach (CDU) hat ihre „Vision“ vom Uni-Umzug auf den Kleinen Grasbrook jüngst Mitgliedern der Universitätsgremien vorgestellt. Die „Wissensökonomie“ sei die Zukunft. Wissenschaft und Privatwirtschaft müßten deshalb inhaltlich und architektonisch zusammenwachsen. Die Uni habe zudem aufgrund neuer Einnahmen aus Budgeterhöhungen, Studiengebühren und Drittmitteln einen wachsenden Raumbedarf. Die heutige Substanz sei zu zwei Dritteln unbrauchbar. Die Uni sei deshalb binnen 10-15 Jahren im Hafen völlig neu zu errichten.
Wissenschaftspolitische Begründungen des großspurigen Projekts? Null. Die konkrete Universität – mit ihrem (potentiell) humanen Nutzen, einer (halbwegs) demokratischen Kultur und widersprüchlichen Geschichte, ihrer Integration im Stadtteil, dem durchdachten Gebrauchswert bestehender Bauten, den Erfolgen bisheriger Sanierungen und den Plänen für zügige Modernisierungen kam nicht in den Darlegungen der sozial abgehobenen Senatorin und der hochbezahlten Unternehmensberatung Ernest & Young vor.
Deshalb überwog bei den Gremienmitgliedern die Ablehnung der wie auch immer gearteten Verlagerung auf den Kleinen Grasbrook: Die Redlichkeit der Kalkulation der Kosten von überdimensionalen 1,8 Mrd. Euro für eine Sanierung der Universität und spekulativ-niedrigen 2,2 Mrd. Euro für den Neubau wurde stark bezweifelt. In Zeiten der Finanzkrise mute ein „Konzept“, das nicht berücksichtige, daß der Hansestadt bei Großprojekten finanziell die Puste wegbleiben könne, unlauter an. Auch sei unzumutbar, daß eine Gesamtverlagerung bis 2028 gleichzeitig einen fortwährenden Verfall der real existierenden Universität bedeute. Die absehbare Isolation der Wissen-Schaffenden im Hafen wird abgelehnt und mit der gegenseitig anregenden Integration im Stadtteil kontrastiert. Daß für „Internationalität“ die Bauten ausschlaggebend seien, gilt als zweifelhaft. Unzweifelhaft amüsant war dagegen das ganz unironisch präsentierte „Verkehrskonzept“, demzufolge die Uni im Hafen genauso gut erreichbar sei, wie die „Arena“ bei einem HSV-Spiel. Mißtraut wird dem schein-demokratischen Meinungsbildungsprozeß.
Studentische Vertreter pointierten, daß der Senat und die dogmatisch konservative Uni-Präsidentin die Entsorgung der zivilen, demokratischen und sozial progressiven Tradition der Universität beabsichtigen. Hervorgehoben wurde, daß die Pläne wegen der Fixierung auf die bare Erscheinung von Beginn an nutzlos, schädlich und zum Scheitern verurteilt sind. In einer gesonderten Beratung mit VertrerInnen des Studierendenparlaments wurde die Senatorin mit der Entfaltung humanistischer Wissenschaftlichkeit, demokratischer Ansprüche und der Reflexion des kulturellen Ortes der Uni im ehemals jüdischen Grindelviertel konfrontiert. Danach gefragt, welcher Vernunft sie eigentlich folge, erwiderte sie: Man könne das „Ordnung“ nennen. Diese „Ordnung“ – Gewinne, Lack und Gängelung – ist im Kern marode.
Der hölzernen Funktionärin wurden am Ende 11.000 Unterschriften gegen die Uni-Verlagerung überreicht. (Es wird weiter gesammelt.)
Der Mensch soll und will keine Ware sein.
Dafür muß etwas getan werden.


I.7. Kommerzielle Despotie
oder
solidarische Entfaltung?

(21. April 2009)

„Mit dem geplanten Wissenschaftscampus will die RWTH die Zusammenarbeit mit der Industrie bald »auf eine neue Ebene« heben, wie Sprecherin Sabine Busse sagte. Auf dem Campus Melaten und am Aachener Westbahnhof sollen auf einer Fläche von 2,5 Quadratkilometer 15 Forschungs-Cluster für mehr als 10.000 Mitarbeiter entstehen. Bis zu 200 Unternehmen können sich dort ansiedeln. Nicht nur die Forschung soll gemeinsam betrieben werden, die Firmen können sich auch an Lehre und Weiterbildung beteiligen. »Der Campus soll vor allem kleineren Herstellern Chancen bieten«, sagt Busse: Kostenpunkt des Projekts: 2 Milliarden Euro.“

„Per Mausklick durch Aachen spazieren“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18./19.04.2009, html.

Das Aachener Beispiel steht für die (auch in Hamburg) geplante Umorientierung der Universität von einer republikanischen Einrichtung der Aufklärung zum folgsamen Dackel der Standortdoktrin. Der rabiat monotone Kommerz steht gegen Vernunft, Kritik, Demokratie und humane Nützlichkeit.
In Frankfurt ist ein Campus aus Glas / Beton rund ums schon zuvor universitär genutzte IG Farben-Gebäude errichtet worden. Anstelle einer kritischen Auseinandersetzung mit dem zerschlagenen Weltkonzern, der maßgeblich von der faschistischen Ausbeutung der Verfolgten in den KZ profitierte, entstanden hier elitär abgeschottete Klötze, die nur mit Einlaßkarte zu betreten sind. Das „House of Finance“ bildet den neuen Block für die Staatswissenschaften, eine Einbindung in die städtische Öffentlichkeit ist nicht gegeben, die Verkehrsverbindung ist übel, der Campus abends wie leergefegt, die Mieten in den neuen Wohnheimen teuer und durch die Privat-Öffentliche-Finanzierung (PPP) ist den Universitätsmitgliedern die Verfügung über die Raumgestaltung entzogen worden. Längst sind die Hessischen Universitäten dank der rechtsdrehenden Koch-Regierung „stiften“ gegangen. Im Zusammenhang mit diesem „Aufbruch“ wurde an der Goethe-Universität auch ein Josef-Ackermann-Lehrstuhl eingerichtet. Kann der soziale Bankrott verantwortlicher Wissenschaft und humanistischer Bildung krasser sein?
Auch in Bremen hat die Zerschlagung sozialkritischer Anteile, einer wirklich demokratischen Selbstverwaltung und eines emanzipatorischen Bildungskonzepts (z.B. Projektarbeit statt Seminare / Vorlesungen) zwar schon mit Unterfinanzierung, dem politischen Rollback 1982 und den Berufsverboten begonnen, aber erst in den 1990ern wurde die umfassende Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Universität mit dem „Wissenschaftspark“ forciert. Hier gingen ebenso bauliche und inhaltliche Verschlechterungen Hand in Hand. Der „Wissenschaftspark“ dient der Ansiedlung von großen Unternehmen (z.B. Daimler) in direkter Universitätsnähe. Für verhältnismäßig geringe Sponsoring-Gelder werden die Natur- und Ingenieurwissenschaften den Forderungen der privaten Wirtschaft angeglichen. Ebenso wie im Aachener Beispiel gelingt es dort den Unternehmen staatlich subventionierte Forschung unmittelbar in ihre Produktionsentwicklung einzubeziehen, die Mitglieder der Universität zu Versuchspersonen und billigen Arbeitskräften Profit versprechender Projekte zu degradieren und damit die Hochschule zu unterwerfen. In Bremen existieren die Hauptfachstudiengänge Philosophie und Linguistik nicht mehr; die Behinderten-Pädagogik und der Sport werden abgewickelt. Nur was sich rechnet, darf bleiben. Der „Wissenschaftspark“ gedeiht also eher als Freudenhaus für die Industrie.
Korrespondierend zu diesen absurden Entwicklungen zielen die ansonsten expansiven Pläne der hiesigen Senatorin darauf, daß die geisteswissenschaftliche Fakultät klein bleiben und die Erziehungswissenschaft sogar schrumpfen soll. Die Studierendenzahlen sollen insgesamt bis 2012 um 3.000 sinken – obwohl in den letzten zehn Jahren schon 10.000 Studienplätze verloren gingen.
Das öde konservative Programm steht also eindeutig im Gegensatz zu demokratischer und gesellschaftskritischer Bildung und Wissenschaft mit dem Inhalt des Allgemeinwohls sowie einer solidarischen Entwicklung der Gesellschaft. Das „Exzellente“ und das „Moderne“ sind von Gestern. Eine erfreuliche Zukunft bedarf der dynamischen Opposition:

„Und weil der Mensch ein Mensch ist
drum hat er Stiefel ins Gesicht nicht gern.
Er will unter sich keinen Sklaven sehn
und über sich keinen Herrn.“

Bertolt Brecht, „Einheitsfrontlied“, 1935, html, audio.


I.8. Uni bleibt!
Der Unsinn wird abgelehnt

Bericht von der öffentlichen Anhörung des Wissenschaftsausschusses
(4. Mai 2009)

„Anstatt sich dezidiert an den wirklichen gesellschaftlichen, ja staatsbürgerlichen Bedürfnissen zu orientieren, – die primär in über Bildung vermittelter Partizipation bestehen – und gezielt in deren Befriedigung zu investieren, sorgt sich das ganze Land um den Absatz deutscher Luxuslimousinen.“

Albrecht von Lucke, „Die gefährdete Republik. Von Bonn nach Berlin 1949 - 1989 - 2009“, Berlin 2009, S. 92, html.

Das Absurde ist nicht zwangsläufig die einzige Antwort auf die Krise. Man kann dagegen die Potentiale des Humanen als angewandtes Wissen auch in einer restriktiven Gegenwart entfalten. Das ist Wissenschaft. Sie ist Teil sozialer und geistig-kultureller Konflikte in der Gesellschaft.
Dieser Impetus wurde am 28. April 2009 in der öffentlichen Anhörung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft über die Pläne zur Univerlagerung vielfältig zur Geltung gebracht. Aus dem Kreise der etwa 400 Anwesenden wurde den Abgeordneten des Landesparlaments und der sprachlosen Uni-Präsidentin die unbedingte Ablehnung der Verlagerung der Universität auf den Kleinen Grasbrook angriffslustig vorgetragen:
Eindeutig Nein! gilt den sozial ignoranten und kasernierenden Bauplänen. Mit überdimensionierten Maßen sind unverhohlene partikulare Geschäftsinteressen sowie auch phantastische Kosten verbunden. Attackiert wurden die Propaganda-Lügen, durch welche der fortschrittliche Gehalt der Uni Hamburg delegitimiert werden soll. Das Vorhaben der Senatorin, an das sich die Uni-Präsidentin bindet, berücksichtigt weder kritische Lehren aus den monolithischen Erziehungsblöcken der Nazizeit, noch die negativen Erfahrungen mit deren gemilderten modernistischen Variationen, die andernorts entstehen. Verwehrt wurde sich gegen die Doktrin einer Universität als Lernfabrik einer „wissensbasierten“ Standortgemeinschaft im internationalen Wirtschaftskrieg. Abgelehnt wird das hohle Pathos gläserner Visionen (mit oder ohne „Sprung über die Elbe“), deren Verwirklichung nur Mißmut schaffen kann.
Dagegen wurde die Universität als zukunftsbildender Gedächtnis- und Kritik-Ort, als Stätte demokratischer Auseinandersetzung und Architektur, als Spiegel sozialer Widersprüche und des Kampfes für gesellschaftliche Verbesserungen gewürdigt. Das Erfordernis und die Möglichkeit einer bedarfsgerechten Sanierung und sozialen Erweiterung in der entwickelten Verbindung mit dem Stadtteil wurden befürwortet und belegt. Universität, Wahrheit und Humanität sollten Leitlinien des weiteren Prozesses sein. Verlesen wurde die Resolution der studentischen Vollversammlung für eine sofortige Beendigung der teuren Inszenierung zugunsten von Gebührenfreiheit, Demokratisierung, bedarfsgerechter öffentlicher Finanzierung, zügiger baulicher Verbesserung und einer sinnreichen Studienreform „von unten“. Erinnert wurde an kritische Voten bereits zweier Fakultätsräte und des Studierendenparlaments.
Der Idiotismus des „Rucks“, der durch die Universität gehen soll, ist kenntlich gemacht worden. Die weitere Diskussion sollte sich vor allem darum drehen, wie die Universität geschichtsbewußt und vorausschauend in Eimsbüttel entwickelt werden kann.
(Dafür muß auch das weltanschaulich motivierte, personalpolitische Moorhuhn-Schießen gegen aufrichtig artikulierte Ansprüche der Mehrheit der Universitätsmitglieder durch die oberste Universitätsleitung unterlassen werden. Wir sind nicht im Wald!)
Kritik ist die geistige Prämisse aller Problemlösung.
Luscht oder Fruscht – das ist hier die Frage.


I.9. Vernunft? Ja, Vernunft!

Zum neunzigjährigen Geburtstag der Universität Hamburg
(21. Oktober 2009)

„Wo ehemals die klassische Bildung als ein heiterer Selbstzweck gegolten hatte, den man mit Ruhe, Muße und fröhlichem Idealismus verfolgte, da waren nun die Begriffe Autorität, Pflicht, Macht, Dienst, Karriere zu höchster Würde gelangt, und der ›kategorische Imperativ unseres Philosophen Kant‹ war das Banner, das der Direktor Wulicke in jeder Festrede bedrohlich entfaltete. Die Schule war ein Staat im Staate geworden, in dem preußische Dienststrammheit so gewaltig herrschte, daß nicht allein die Lehrer, sondern auch die Schüler sich als Beamte empfanden, die um nichts als ihr Avancement und darum besorgt waren, bei den Machthabern gut angeschrieben zu stehen.“

Thomas Mann, „Buddenbrooks“, 1901, html.

Mit steif-humorloser Festlichkeit wurde dieser Tage im Rathaus der Gründung der Universität gedacht. Studierende und (kritische) Öffentlichkeit wurden vorsichtshalber nicht eingeladen. Das ist ein spießiges Programm.
Die nach der politischen Revolution am 1. April 1919 gegründete Universität implizierte hingegen das Erbe der Aufklärung als geistig-kulturellen Auftrag für die Errichtung der jungen Demokratie gegen Krieg, Militarismus, Diktatur und soziale Not.
Gut 90 Jahre später ist – wieder einmal – der gesellschaftliche Rahmen zu eng geworden, um den humanistischen Bildungs- und Forschungsauftrag der Wissenschaften verwirklichen zu können. Die geschäftliche Fremdbestimmung von Bildung und Wissenschaft, die Übernahme von hohlen „Effizienz“-Dogmen und schnödem Marketing hat allen geschadet: selektive Studiengebühren und restriktive Studienstrukturen sind schlicht Entfaltungshindernisse. Die konkurrenzhafte Mittelvergabe und -besoldung und die damit verbundene Bürokratie beengen faires, kooperatives und verantwortungsbewußtes Handeln. Das Gesundbeten profitabler Verhältnisse, die fade empirische Beschreibung der politischen Oberfläche, die Biologisierung bzw. Pathologisierung von sozialen Strukturen und kulturellen Haltungen, das „Recht“ des Durchsetzungsstarken, „Bildung“ als performatives Markttraining, teures Entertainment für Film, Funk, Fernsehen und sogenannte Zeitungen, eine weitgehend sinnentleerte Sprachpaukerei und eine bestenfalls vorwissenschaftliche, anti-kritische Berufsfeldorientierung (ABK) sollen als der Weisheit letzter Schluß gelten. Die Krise ist in der Universität angekommen.
Um da herauszukommen, muß die Universität stattdessen einen kulturellen Beitrag zum vernunftgemäßen Aufrichten gegen den organisierten Irrationalismus, also gegen Kriege aller Art, wider geistige und blinkende Verflachung und gegen das Gebot der dogmatischen Verwertungshierarchie leisten:
Was sind somit aktuelle Schlußfolgerungen aus der weitgehend demokratischen Gründungsgeschichte der Universität, den produktiven Konflikten zwischen bornierten Kaufleuten, aufgeklärten Bürgern und der Erhebung der Arbeiterbewegung? Wie gelingt die Überwindung von profitbestimmten Diktaten als aufgeklärt befreiendes Eingreifen in die Gesellschaft? Wie kann das humanistische Erbe der Menschheit, wie können wissenschaftlich-technische, soziale und politische Errungenschaften für die Allgemeinheit angeeignet, weiter entwickelt und verbreitet werden?
Wie kann die „hohe Schule der Gesellschaft“ Erkenntnisse über den gesellschaftlichen Menschen für mündiges, kooperatives und verallgemeinerbares Handeln deutlich, souverän nachvollziehbar und produktiv machen?
Aus der Geschichte läßt sich lernen: Humanität und Aufklärung manifestieren sich seit jeher in den Kämpfen für die soziale, kulturelle und demokratische Entfaltung der Menschheit.
Freiheit, Gleichheit und Solidarität sind eine unerschöpfliche Quelle.


II. Gremienbeschlüsse:

Die Fakultätsräte der Fakultäten Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft (EPB) und Geisteswissenschaften haben sich intensiv mit der baulichen Entwicklung der Universität auseinandergesetzt und dafür auch die Kenntnisse in Geschichte, Architektur und Stadtplanung bewanderter Universitätsmitglieder zu Rate gezogen. Auf dieser Basis und als Ausdruck großer Verärgerung über die Mißachtung der realen wissenschaftlichen und sozialen Bedürfnisse der Universität – z.B. einer bedarfsgerechten öffentlichen Finanzierung statt Stellenstreichungen, Studiengebühren und phantasmorgischer Zukunftsmusik – sind die nachstehenden Beschlüsse zustande gekommen und sowohl dem Uni-Präsidium und dem Akademischen Senat als auch der Behörde für Wissenschaft und Forschung zur Kenntnis gebracht worden.


II.1. Beschluß des Fakultätsrats Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft

vom 15. Oktober 2008

Plädoyer für den Verbleib und Ausbau des Campus in Eimsbüttel.

Der Fakultätsrat der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg verfolgt die Beratungen zur Verlegung der Universität in den Hafen mit großer Sorge und spricht sich dafür aus, einer gründlichen und zügigen Sanierung und Erweiterung der universitären Gebäude in Eimsbüttel den Vorzug zu geben.

— Die Realisierung der Pläne hätte den Verlust wertvollen kulturellen Erbes zur Folge. Die meisten Gebäude auf dem Campus sind Symbole des gesellschaftlichen Aufbruchs der Nachkriegszeit und des Aufbaus einer sozial offenen Hochschule. Dies kommt z. B. in der baulichen Substanz mit einer transparenten und funktionalen architektonischen Gestaltung und hochwertigen Werkstoffen (Philosophenturm, Erziehungswissenschaft, Rechtshaus, Audimax, HWP) zum Ausdruck.

— In der inneren Gestaltung der Gebäude ist in der jüngeren Vergangenheit die wechselvolle Geschichte der Universität kritisch reflektiert worden. Dies spiegelt sich besonders in der Benennung von Hörsälen und Bibliotheken nach demokratisch engagierten und nach 1933 politisch wie rassistisch verfolgten WissenschaftlerInnen. Dieses kulturelle Erbe würde mit einem Neubau ebenso verloren gehen, wie die prägende Verbindung mit dem historischen jüdischen Viertel.

— Die überwiegende Mehrzahl der Universitätseinrichtungen mit dem Zentralcampus ist durch die historisch gewachsene Ansiedlung im Kerngebiet Eimsbüttels in das Leben der Stadt stark integriert. Das fördert den Austausch von Universität und Öffentlichkeit, belebt die angrenzenden Stadtteile und ist eine Erleichterung für die Studierenden. Alles das ginge mit dem „Sprung über die Elbe“ unwiederbringlich verloren.

Der Fakultätsrat begrüßt deshalb alle Bestrebungen, den objektiven Sanierungs- und Erweiterungsbedarfs für die Universität rasch und transparent festzustellen und auf dieser Grundlage die notwendige Bau und Sanierungsvorhaben zügig fortzusetzen. In Eimsbüttel stehen genügend Flächen zur Verfügung für Erhalt und Erweiterung der Universität vor Ort. Zahlreiche Gebäude sind in jüngerer Vergangenheit aufwendig und mit entsprechenden Kosten saniert worden, bzw. werden gerade in Stand gesetzt.
Für die weitere bauliche Entwicklung der Universität sollte gelten:

— Die Zentralisierung der Universität an einem Ort sollte gewahrt und weiter fortgesetzt werden. Die räumliche Nähe der verschiedenen Fächer und Fakultäten einschließlich der Nähe zur medizinischen Fakultät unterstützt die Interdisziplinarität und erleichtert das Studium vielfältiger Fächerkombinationen. Insbesondere für die Lehrerbildung mit der Kombination von Erziehungswissenschaft und mehreren Unterrichtsfächern sind die kurzen Wege wichtiger Teil der Studierbarkeit. Eine Teilverlagerung der Universität lehnt der Fakultätsrat daher ab.

— Die Gebäude müssen in staatlicher Hand bleiben. Die enge Kooperation von Studierenden, Lehrenden und Gebäudeverwaltung als Mitglieder der Hochschule hat sich bewährt. Die staatliche Verfügung über die Gebäude ermöglicht eine dauerhafte Kostenkontrolle sowie die Souveränität der Hochschulen bei der Nutzung sowie bei erforderlichen Um- und Neugestaltungen. Modelle der Public-Privat-Partnership betrachtet der Fakultätsrat mit größten und begründeten Vorbehalten.


II. 2. Beschluß des Fakultätsrats Geisteswissenschaften

„Bauszenarien der Universität Hamburg“

I. Ausgangssituation

— Die Fakultät für Geisteswissenschaften hat gegenwärtig deutlich zu wenig Nutzfläche (Unterbringung von Gastwissenschaftler/innen, Studierenden-Arbeitsplätze). In der Studie wird ein Flächenbedarf der Fakultät von ca. 25.500 qm angesetzt, der künftig um ca. 4000 qm aufzustocken ist, woraus sich eine Summe von 29.500 qm ergibt. Dieser Flächenbedarf unterschreitet jedoch die derzeit der Fakultät tatsächlich zur Verfügung stehenden Nutzflächen, die sich auf rund 31.500 qm belaufen. Informationen über möglicherweise darüber hinaus ausgewiesene Aufwuchskontingente liegen nicht vor.

— Die Fakultät für Geisteswissenschaften ist aufgrund ihrer Forschungs- und Lehrgegenstände stark auf Kultur und Kulturgeschichte orientiert; ihre akademische Einbindung in das Grindelviertel ist daher besonders ausgeprägt. Die Gebäude der Universität spiegeln die einzelnen Phasen ihrer Geschichte. Sie zu erhalten ist seit Jahren ein Anliegen der Universität und zeigt sich in der Sanierung alter, auch ‚kolonialer‘ Gebäude im ‚jüdischen Viertel‘ als kulturellem Erbe der Universität und dessen Aufarbeitung (Hörsaalbenennung, enteignete Villen), in der Architektur der 1960er Jahre, die eng verbunden ist mit der Demokratisierung und sozialen Öffnung der Hochschulen (Audimax, Philosophenturm) sowie in der Verpflichtung auf eine friedliche Internationalität, wie sie in Namensgebungen zum Ausdruck kommt (Allende-Platz, Martin-Luther-King-Platz, Staats- und Universitätsbibliothek Carl-von-Ossietzky).

— Die Nähe zum politischen, ökonomischen und kulturellen Zentrum der Stadt zeichnet die Universität Hamburg als eine integrierte Stadtteil-Universität aus; sie hat alltägliches Gewicht im ‚Transfer‘ zwischen Wissenschaft und allen anderen Bereichen der Gesellschaft. Nicht zuletzt die sozial wie ökonomisch in großem Umfang erforderlichen Nebentätigkeiten von Studierenden sind in dieser Verbindung bestens zu realisieren. Für Forschung, Lehre und Studium bedeutsam ist auch die erst jüngst hergestellte Nähe zu anderen Forschungseinrichtungen. Die Universität Hamburg ist verkehrsmäßig regional und überregional durch Busse, S/U-Bahntrassen, eine ICE-Trasse und großzügige Straßenzüge sehr gut angeschlossen.

II. Auswertung der Szenarien der „Studie zur baulichen Entwicklung der Universität Hamburg“ aus der Perspektive der Fakultät

Gemäß ihrem Leitbild beschäftigt sich die Fakultät für Geisteswissenschaften mit „Ideengefügen und Geltungsansprüchen, mit sozialen Handlungen und ihren Motiven, mit Strukturen und Prozessen von Gesellschaft und Herrschaft in Geschichte und Gegenwart“. Aus dieser Perspektive stellt der Fakultätsrat fest, dass die vorgelegte Studie der BWF ein einseitiges, vermarktungsorientiertes Bild von der Aufgabe der Hochschule zeichnet. Der Fakultätsrat der Fakultät für Geisteswissenschaften betont hingegen, dass Wissenschaft und Bildung dem allgemeinen Wohl dienen.

Szenario 1 („behutsames Einfügen von Neubauten sowie Bewahrung und Sanierung des Bestandes“)
— nur mäßige Beeinträchtigung durch Baulärm und Umzüge;
— vorhandene Infrastruktur (z.B. Kinos, Museen) kann weiterhin genutzt werden, etwa im Rahmen von Lehrveranstaltungen;
— bestehende sehr gute Verkehrsanbindung bleibt erhalten;
— Arbeitsbereiche der Fakultät bleiben auf verschiedene Standorte verteilt;
— fakultätsübergreifende Zusammenarbeit weiterhin gut möglich;
— kaum Flächengewinn, aber auch kein Flächenverlust.

Szenario 2 („Neubauten am Standort und Bewahrung einiger signifikanter Gebäude“ u. a. Philturm, ESA 1)
— wie Szenario 1;
— dazu: bessere Integration der Fakultät, sofern in Campusnähe ein größeres Gebäude hinzukommt;
— dazu: Beeinträchtigung von Forschung und Lehre durch Bauarbeiten und Lärm.

Szenario 3 („Neubauten am Standort und Bewahrung einiger signifikanter Gebäude“ u.a. Philturm, ESA 1, plus Umzug der MIN-Fakultät auf den Kleinen Grasbrook)
— wie Szenario 2;
— dazu: erschwerte interfakultäre Zusammenarbeit in Forschung und Lehre (z.B. für Lehramtsstudierende, die zwischen mehreren Standorten pendeln müssen).

Szenario 4.0 und 4.1 („Umzug der gesamten Universität auf den Kleinen Grasbrook mit unterschiedlich starker städtebaulicher Entwicklung vor Ort“: bei 4.0 Einbeziehung der gesamten Fläche des Kleinen Grasbrooks, bei 4.1 nur eines Teils)
— Fakultät inklusive Verwaltung, Dekanat und Drittmittelforschung kann in einem gemeinsamen Gebäude bzw. Trakt untergebracht werden, was bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit bietet;
— teilweise höherwertige oder bessere Ausstattung der Büros und Unterrichtsräume (z.B. behindertengerechte Zugänge);
— fakultätsübergreifende Zusammenarbeit gut möglich;
— Verlust der Anbindung an Quartier und kulturelle Infrastruktur sowie an die hiesige Medienwirtschaft;
— kulturelle Isolation am Grasbrook: Campusuniversität ohne Vernetzung in die Stadt;
— Aufgeben der historisch gewachsenen Strukturen und ihrer Geschichte;
— erschwerte und vielfach weitere Anfahrt für Beschäftigte und Studierende;
— Verunmöglichung der Integration von Studium und Nebentätigkeiten;
— Aufgeben des Standortvorteils der Universität Hamburg, im Vergleich mit vielen anderen Universitäten in der BRD, eine Universität in der Stadt zu sein (vergleichbar etwa mit der Lage der Humboldt-Universität zu jener der Freien Universität in Berlin).

III. Fazit und Stellungnahme

Der Fakultätsrat begrüßt, dass der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg bereit ist, die dringend erforderlichen öffentlichen Gelder in die bauliche Entwicklung der Universität zu investieren.
Unter der Prämisse, dass die Fakultät erstens deutlich mehr Flächen erhält und zweitens die Möglichkeit, sich räumlich zu zentralisieren, d.h. periphere Lagen wie die Sedanstraße oder die Max-Brauer-Allee aufzugeben und kleine Standorte in einen größeren zu integrieren, erscheint ein Verbleib am Standort als beste Lösung (d.h. die Umsetzung von Elementen aus den Szenarien 1 und 2).

— Ziel ist die Vermeidung von Streulagen und die Zusammenführung der Fakultät an wenigen zentralen Standorten.
— Ein konkretes Ziel aus der Perspektive der Fakultät ist die räumliche Wiedereingliederung der Indologie in den Komplex der Asien-Afrika-Wissenschaften.
— Ideal für die Bedarfe der Fakultät wäre die Anmietung des Postgebäudes in der Schlüterstraße (z.B. für die Ev. Theologie, Verwaltung, kleine Streulagen).

Szenario 3 erscheint aufgrund der Teilung der Universität und der nichtexistenten Vorteile gegenüber Szenario 2 (mit gleichem Bauplan für geisteswissenschaftliche Areale am Standort Rotherbaum) als schlechteste Variante aus der Perspektive unserer Fakultät.
Szenario 4 wurde von der Fakultät als Option ernsthaft geprüft, aufgrund der möglicherweise besseren räumlichen Ausstattung und der fakultären Kohärenz. Der Fakultätsrat wendet sich jedoch aus den genannten kulturell-historischen Gründen dezidiert gegen einen Umzug der Universität Hamburg. Die im Grindel-Viertel bestehende wissenschaftlich herausfordernde, kulturell anregende und wirtschaftlich lebendige Symbiose aufzulösen, wäre destruktiv und fahrlässig gegenüber Fakultät, Universität und Bevölkerung. Der Fakultätsrat fordert eine deutliche räumliche Vergrößerung auch für die Geisteswissenschaften.
Er spricht sich für eine zügige Sanierung und Modernisierung der Universität unter Wahrung ihres geschichtlichen Erbes aus und befürwortet ihre Erweiterung unter demokratischer Einbeziehung der Universitätsmitglieder wie der Öffentlichkeit.
Die vom Bezirksamt Eimsbüttel erarbeiteten Vorschläge für den Verbleib der Universität am bisherigen Standort begrüßt er als wesentlichen Beitrag zu einer qualifizierten Debatte um die räumliche Zukunft der Universität Hamburg.

gez. Prof. Dr. Claudia Benthien (Komm. Dekanin) im Auftrag des Fakultätsrats