Menü | HomePublikationenharte zeiten › Artikel 2 einer Zeitung von harte zeiten vom

Herr Schmidt
oder
Darf's ein bißchen mehr sein?

„Richtig bleibt aber: Jede Demokratie ist gefährdet, wenn die Regierenden Wirtschaft und Arbeit nicht in akzeptabler
Ordnung halten können.“

Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt, Das Ethos des Politikers, Mai 2007.

Helmut Schmidt ist beliebt. Das ist nicht verwunderlich nach 20 Jahren Turbo-Kapitalismus, nach 27 Jahren der Hinwendung zum Neoliberalismus und während die internationale Wirtschaftskrise verdeutlicht, daß „der Markt keine sichere Bank ist“. In dieser Lage wird sich medial und persönlich zunehmend daran erinnert, daß es eine Alternative zum entfesselten Profitstreben geben muß. Helmut Schmidt scheint sie zu verkörpern.

Anständig ist, daß dieser sich der europäischen Aufklärung und ihrem Friedensethos verpflichtet sieht. Er verurteilt deshalb völkerrechtswidrige Kriege (gegen Jugoslawien und Irak) und hält sich in Bezug auf andere (Afghanistan) bedeckt. Außerdem solle das Wohlergehen der Bevölkerung die Priorität der Politik sein, weshalb die Profitgier an den Börsen und in den Konzernetagen international zu zügeln sei. Die Arbeitslosigkeit sei nachhaltig abzubauen und die Sozialsysteme seien nach skandinavischem Vorbild auf Dauer zu sichern. Das sind in der Tat anstrebenswerte Verbesserungen.

Ein durch Grundrechte, Gewerkschaften und parlamentarische Demokratie regulierter Kapitalismus wie die BRD es ist, erscheint dem Altkanzler als nicht die „ideale“, aber „beste aller Staatsformen“. Soziale Sicherheit und eine begrenzte politische Partizipation der Bevölkerung sollen sich durch eine allgemeine Verantwortung für die kapitalistische Gesellschaft brav verdient werden. Der Staat als ideeller Vater des Volkes soll über allem wachen und richten.

Der nüchterne Habitus des Altkanzlers sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß man es mit einer illusionären Position zu tun hat: Nicht „der Staat“ hat die Macht oder ist die Macht, sondern gesellschaftliche Macht ballt sich einerseits da, wo gewinngroßes Eigentum versammelt ist und gegenläufig dazu dort, wo sich gegen Profitinteressen größere Teile der Bevölkerung für die solidarische Durchsetzung ihrer sozialen und kulturellen Belange zusammenschließen. „Die Politiker“ sind eher eine kulturelle Erscheinung dieser Auseinandersetzungen, als daß sie irgendetwas in der vermeintlich ruhigen Hand hätten.

Es darf also etwas mehr sein.

Eine menschenwürdige Welt, Frieden und sinnvolle Arbeit, eine lebendige, alltäglich engagierte Demokratie (nicht zuletzt an den Hochschulen), eine kritische Kultur und die dafür erforderliche aufgeklärte Muße sollten als verbindende Ansprüche von der überwiegenden Mehrzahl vertreten und erstritten werden.

Nicht Sicherheit und Ruhe, sondern eine humanistische Progression von Dauer ist nötig. Mit weniger sollte sich niemand zufrieden geben.

Der Frieden kommt nicht von allein

Der rote Stuhl 3 - Die Herausforderung der Satire: Realsatire

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 5. Januar 2009, http://www.harte--zeiten.de/artikel_813.html