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Zum Geleit XLVII

,,Finanzkrise“:

Was fangen wir mit dem "Wort des Jahres" an?

1) Wort ist ungleich Wort

,,Mephistopheles. Ich wünsche nicht, Euch irre zu führen
Was diese Wissenschat betrifft, [Theologie]
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.
Am besten ist's auch hier, wenn ihr nur E i n e n hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
Im ganzen - haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.
Schüler. Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.“

Johann Wolfgang v. Goethe, ,,Faust I“/Schülerszene, 1808.

Wenn es denn statt ,,Finanzkrise“ genauer Spekulationskrise, Weltwirtschaftskrise, möglicherweise Verteilungskrise oder gar Gerechtigkeitskrise, denkenswerterweise auch Vernunft- oder Menschlichkeitskrise hieße, kämen die bemühten Artikel und erst recht die notwendigen Konjunkturprogramme - besonders die Bildungs-, Sozial- und Kulturförderungen - der Wahrheit respektive dem nützlichen Handeln ein gutes Stück näher.

2) Schäumendes Oben

,,Denn das Wort ist der Feind des Geheimnisvollen und ein grausamer Verräter der Gewöhnlichkeit.“
Thomas Mann, ,,Bekenntnise des Hochstaplers Felix Krull“, 1954.

Der Herr Professor (Un-)Sinn, Religionslehrer für die Ökonomie, weiß viel (Un-)Rat und meinte jüngst zu den Folgen der Weltwirtschaftskrise betreffs Teutoniens: ,,Wir schwimmen wie die Korken auf den Wogen der Weltkonjunktur.“
Das klang wie eine tiefenpsychologische Selbstaussage, denn einige schwimmen ganz oben und werden heftig hin- und hergetrieben; unter ihnen ist das tiefe, tiefe kalte Meer.

3) Wort und Tat

,,Über das Denken
Me-ti lehrte: Das Denken ist ein Verhalten des Menschen zu den Menschen. Es beschäftigt sich viel weniger mit der sonstigen Natur; denn zu ihr geht der Mensch stets den Umweg über den Menschen. Bei allen Gedanken muß man also die Menschen suchen, zu denen hin und von denen her sie gehen, dann erst versteht man ihre Wirksamkeit.“

Bertolt Brecht, ,,Me-ti/Buch der Wendungen“, entstanden in den 1930er Jahren des Exils.

Gerade in den Wissenschaften, den Künsten, der Politik - also in kooperativer Reflexion und Gestaltung der Gesellschaft, der menschlichen - sollte es bewußt und produktiv und heiter zugehen.

4) Courage und Wahrheit

,,Viel Klagen hör ich oft erheben
Vom Hochmut, den der Große übt.
Der Großen Hochmut wird sich geben,
Wenn unsre Kriecherei sich gibt.“

Gottfried August Bürger, ,,Mittel gegen den Hochmut der Großen“, 1787.

Das Wissen über die Übel und ihre Gründe sowie Gründer ist meist vorhanden. Man suche sich Mitwisser und Mithandelnde, bringe die Wahrheit zum Ausdruck und fordere Konsequenzen aus den zutreffenden Einsichten. Das Lampenfieber weicht dann der Erfrischung.

Veröffentlicht am Dienstag, den 16. Dezember 2008, http://www.harte--zeiten.de/dokument_811.html