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Der Wahn

Oder: Wider die Fahrlässigkeit der sogenannten Realpolitiker

"Die Vorwürfe gegen die Präsidentin sind absurd. Solange wir in der Nato sind, brauchen wir Raumfahrt- und Raketenforschung."
Barbara Brüning, SPD-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, Abendblatt vom 03.02.2007

"Die kindische Angst der sozialdemokratischen Führer, ja nicht etwa den Gegnern unliebsam aufzufallen, die kleinbürgerliche Sucht, es den aus Romanen und Salons angestaunten ,Diplomaten' gleich zu tun, ölig zu reden wie ein Attaché und unverbindliches Zeug zu schwätzen wie ein Gesandter und so die Auftraggeber der Wahl zu betrügen - das sichert dieser Reichswehr den Bestand. Von dieser Seite droht keine Gefahr. In Deutschland halten sich die einen für Realpolitiker, und die anderen leben von diesem Irrtum."
Kurt Tucholsky, "Ein deutscher Reichswehrminister", 1925.

Ehrlich gesagt, ist die sozialdemokratische Fallsucht - vor dem Konservatismus, dem Militär, der "Nation", dem Kapital - eine Verhöhnung der Vernunft.

Wir wollen gar nicht leugnen, daß in der Aussage der sozialdemokratischen Wissenschaftspolitikerin Brüning, mit der sie die neue Hamburger Unipräsidentin gegen Kritiker ihrer Raketenforschung verteidigen will, mehr Ehrlichkeit steckt, als in der heuchlerischen Behauptung, Raketenforschung habe heutzutage nicht zwingend etwas mit Rüstung zu tun.

Aber die Funktionäre, die seit dem Angriff auf Jugoslawien 1999 behaupten, Krieg sei (auch) mit Waffen zu bekämpfen, Militäreinsätze seien "humane" Operationen, die NATO sei eine Friedensorganisation und es gäbe "deutsche Interessen" die zudem am Hindukusch zu verteidigen seien, derweil mit Waffengewalt neue Absatzmärkte und Ressourcen erobert werden, diese Funktionäre haben jeden sinnvollen Bezug zur Realität verloren. Krieg ist: Tötung, Verelendung, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur, - und Krieg ist ein Geschäft. Wer hier Geld oder intellektuelle Leistung investiert, will auch, daß die Ergebnisse dieser Investitionen zum Einsatz gebracht werden. Die Rechnung zahlt immer die Allgemeinheit. Aus Erfahrungen sollte gelernt werden.

Deshalb sind im gültigen (Berliner) Grundsatzprogramm der SPD Schritte zu einer Weltfriedensordnung definiert: Die militärischen Bündnisse sollen durch eine Friedensordnung ersetzt, die Vorherrschaft von militärischen und rüstungswirtschaftlichen Interessen soll gebrochen, weltweite Abrüstung und der Umbau der Bundeswehr zu einer strukturell angriffsunfähigen Verteidigungsarmee angestrebt, die Überwindung sozialer und kultureller Konfliktursachen forciert sowie Friedenserziehung und Friedensforschung verbreitert werden. Das ist alles richtig, aber betulich.

Soweit der Konflikt mit den Profiteuren von Krieg und Rüstung vermieden werden soll, wird der Krieg akzeptiert. Konflikte sind zu führen für: eine vollständige Absage an die Machtpolitik der USA (also Nichtbeteiligung "Deutschlands", Entzug der Überflugrechte, Beendigung der Stationierung von Truppen und besonders von Massenvernichtungswaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik), Abzug sämtlicher deutscher Truppen aus dem Ausland, Ausstieg aus der NATO, Initiativen für echte Friedens- und Abrüstungsverhandlungen in Nahost, Einstellung der staatlichen Subvention von Rüstungsindustrie und -forschung, der Verzicht auf Militär, stattdessen eine Politik des internationalen sozialen Fortschritts und Überzeugungsarbeit für die Notwendigkeit der prinzipiellen Gewaltfreiheit gesellschaftlicher Beziehungen.

Was zählt ist die Vernunft. Das sei auch das wesentliche Anliegen der Wissenschaften und ihrer Subjekte. Dafür kommt es auf das zivilisierte (und zivilisierende) Handeln aller an. Der Realismus wächst mit der Kritik. Die Hoffnung auf Verbesserungen steigt, wenn sie durch solidarisches Engagement begründet ist. Wer sich gerade macht, richtet auch andere auf.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 8. Februar 2007, http://www.harte--zeiten.de/artikel_547.html