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Der praktische Wert von Grundsätzen

„In fact aber, wenn die bornierte bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Individuen?“
Karl Marx, „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ (1857-1858), MEW 42, S. 395f.

Der Akademische Senat (AS) hat in stürmischen Zeiten, am 1. Juni, einen Tag nach der ersten Lesung des sogenannten "Studienfinanzierungsgesetzes" in der Bürgerschaft, sein Votum für eine öffentliche Finanzierung der Bildungseinrichtungen und der Lernenden bekräftigt (s.u.).

Zuvor ist mehrmals aus der Selbstverwaltung der Universität diese Haltung souverän kritisch zum Ausdruck gekommen: Studiengebühren sind ein ordnungspolitisches Mittel zur restriktiven Gestaltung des Studiums, sie drängen allgemeinbildende Anteile hierin zurück und verschärfen die soziale Benachteiligung im Bildungssystem. So lautet auch über politische Differenzen hinweg das Einverständnis der Vertreter der Mitgliedergruppen (Studierende, TVP, wiss. Mitarbeiter und Hochschullehrer).

Früh aufmerksame Studierende hatten schon 1997 diese Opposition realisiert, als sich in trauter Gemeinsamkeit Unternehmens-Lobbyisten (Bertelsmann), konservative Presse (Springers WELT) und Politiker (CDU-Rüttgers und Ruck-Redner Herzog) anschickten, Studiengebühren als Gebot des „Standort D“ auszugeben. Frei nach dem bürgerlichen Glaubenssatz: Nur was kostet, ist was wert, und: geht's „der Wirtschaft" gut, geht's auch den Menschen gut.

Die sogenannte Wirtschaft freilich ist durch das rein geschäftliche Interesse an Gewinnsteigerung definiert. (Noch einmal sei daran erinnert, daß die dreißig DAX-Unternehmen allein für „Übernahmen“ 370 Milliarden Euro auf der hohen Kante haben und daß die jahrelange „deutsche“ Exportweltmeisterschaft keine allgemeine Wohlfahrt bringt. Das gilt übrigens auch für andere Weltmeisterschaften.)

Von seinen politischen Vorturnern aus dem konservativen Lager unterscheidet sich "Wissenschafts"-Senator Dräger ehestens dadurch, daß er meint, nicht die sozialpolitischen Rücksichten nehmen zu müssen, ohne die die „Volkspartei“ CDU arg in Legitimationsnot kommt.

In der Bürgerschaftsdebatte ruderte der technokratische Senator darum erneut hilflos, Studiengebühren seien sozial gerecht, weil sie jene belasteten, die aus dem Studium selbst erklecklich „Rendite“ zögen. Richtig ist, daß Akademiker, trotz mehr als fünf Millionen Arbeitslosen, eher ein höheres Erwerbseinkommen haben als andere. Sie zahlen aber auch - im Gegensatz zu den meisten Großunternehmern - entsprechend mehr Steuern. (In den letzten Jahren wurde die paritätische Beteiligung von „Arbeitgebern“ an den Sozialversicherungen zulasten der „Arbeitnehmer“ zurückgenommen und sind sämtliche Gewinn-, Vermögens- und Unternehmenssteuern erheblich gesenkt worden.) Richtig ist also, daß Studiengebühren ein elitäres Bildungsprivileg schaffen und ein kalt berechnendes Menschen- und Gesellschaftsbild durchsetzen sollen: jeder buhle um seinen persönlichen Vorteil - die Ellenbogen gewetzt und rein in die Achterbahn der Konkurrenzgesellschaft. Allgemeinwohlorientierte Anliegen des Lernens und des Forschens sollen durch die Kräfte des Marktes beseitigt werden.

Damit nicht genug der magistralen Demagogie: Das „Sozialverträgliche“ des „Studienfinanzierungsgesetzes“ sei das geplante Bildungsdarlehen. Ein verzinslicher Kredit also, der besonders sozial Benachteiligte belastet und dessen Risiko allein die steuerzahlende Bevölkerung trägt, dessen Gewinn aber direkt den Banken zufließt. Auf welchen Konten wachsen und gedeihen menschliche Würde, Anteilnahme, Solidarität, Aufklärung, sozialer Fortschritt?

Ein aufrechter Gang, die Freude an Erkenntnissen, Fertigkeiten, Künsten und an den Mitmenschen ist die eigentliche Bildung des Menschen zum Menschen.

Daran kann mit klaren Grundsätzen begründet konkret weiter erfolgreich gearbeitet werden.

Beschluß des Akademischen Senats gegen Studiengebühren vom 1. Juni 2006

Uniweite Vollversammlung: 15. Juni 2006

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Freitag, den 9. Juni 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_424.html