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"Dein Elend kotzt mich an"

Innensenator Nagel gegen Bettler

"Ich sage aber auch, daß Betteln nicht unbedingt überall toleriert werden muß, wo es viele Menschen stört."
Innensenator Udo Nagel, Hamburger Abendblatt, 30. 12. 2005.

"Im Übrigen ist der Mensch ein Lebewesen, das klopft, schlechte Musik macht, und seinen Hund bellen läßt. Manchmal gibt er auch Ruhe, aber dann ist er tot."
Kurt Tucholsky, "Der Mensch", 1931.

Ins Schaufenster gehören Puppen. Maskenhaft-dynamisch, ,freiwillig' mager, glatt-strahlend: so sei der Mensch, denn so ist er brauchbar. Um so zu erscheinen, soll eingekauft werden. Dabei-Sein zu jedem Preis.
Armut gehöre nicht in die hellen, warmen Schaufenster der Hansestadt. So befinden Senat und Einzelhandel. Begründung unnötig. Hilfsweise beschwören sie scheinheilig dieselbe "soziale" (und wenig würdige) Fürsorge, die sie seit Jahren gemeinsam abwickeln. (Die letzten "Obdachlosen-Container" wurden im Jahr 2003 bereitgestellt.)

Als störend gilt der Anblick der Wirklichkeit.
11,1 Prozent Arbeitslose bundesweit, die Gängelung mit "Hartz IV" und oft folgende Wohnungsräumungen sind der harte Kontrast zu den fortgesetzten Rekordgewinnen großer Unternehmen und Banken und dem Glitter der Hafen-City. Soziale und kulturelle Herabwürdigung und harte Alltagskonkurrenz sollen alle zum smarten Ausfahren der Ellenbogen trimmen.
Anschauungs- und gedanken-gestützte allgemeine Zweifel am Sinn der Geschäfte sind dafür nicht förderlich. Es schäme sich, wer nicht mithalten will oder kann. (Dieser Ideologie dienen auch die Studiengebühren.)

Dem CDU-Senat gilt nicht profitabel verwertbares Leben als rechtlos: Udo Nagel, vom Rechtspopulisten Ronald Schill zum Polizeichef berufen, nun selbst Senator, sorgt für die enge Verbindung von ökonomischer und obrigkeitsstaatlicher Herabsetzung der Menschen. Ole von Beust fordert die Schleifung des Sozialstaats auf das Niveau von niedrigster Lebenserhaltung ("Nächstenliebe"). Justizsenator Kusch redet der "freiwilligen Selbsttötung" das Wort. Leid, seine Ursachen, ihre Überwindbarkeit sind diesen Herren keine Denkanstrengung wert. Still sei der Mensch, tüchtig und sauber. Das ist dem Konservativen seine heilige Ordnung.
Die Würde des Menschen ist hiermit hart angetastet.

Dieser systematischen - und system-immanenten - Menschenverachtung ist entschieden Paroli zu bieten. Mensch-Sein ist nicht Mittel, sondern Zweck.

Mit dieser Perspektive gelingt die erfreuliche Veränderung des Alltags.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 5. Januar 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_322.html