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Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr wollen Faschisten heute in Hamburg den Toten der Bombardierungen durch die Britischen Luftangriffe von 1943 "gedenken". Sie verfälschen dabei historische Tatsachen und schieben den Alliierten die Kriegsschuld zu, um die faschistischen Verbrechen zu relativieren. Kein Wort davon, dass die Faschisten von Deutschland aus in bis dahin und seitdem nie dagewesener Unmenschlichkeit einen Krieg mit 60 Millionen Toten begannen und über 6 Millionen Jüdinnen und Juden ermordeten.

Vorausgegangen war der Durchsetzung des historischen Faschismus die Niederlage der Arbeiterbewegung im Kampf um die Vollendung der Revolution von 1918/1919. Gegen Ende der Weimarer Republik mobilisierten Großbanken, Unternehmer und preußische Junker - aufgrund des Erstarkens der sozialistischen Kräfte besorgt um ihre Macht und ihren Profit - zum Zwecke der Abwehr und der Zerschlagung der Arbeiterbewegung die Faschisten und übertrugen Hitler die Macht. Durch den folgenden Terror - den Versuch, jede auf Egalität abzielende Position und ihre Vertreter zu eliminieren - durch die Forcierung von völkischer Verblendung und Rassenwahn, durch die ungehemmte Ausbeutung der Menschen, durch ihre Vernichtung mittels Arbeit, Vernichtungslagern und Krieg wurde die ungehemmte Konkurrenz brutal durchgesetzt und so dem Profitinteresse der Kapitalseite Rechnung getragen.

Nach der Befreiung vom Faschismus war die Lehre:
Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg. Wofür viele Menschen - Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerliche Humanisten - unter erheblicher Gefahr aus dem Exil, aber auch in Nazi-Deutschland gekämpft hatten und was die Überlebenden der Vernichtungslager geschworen hatten, sollte nun erfüllt werden: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel" (Schwur der Überlebenden von Buchenwald). Dies bedeutete eine Abkehr vom Diktum der ungehemmten Konkurrenz als vermeintlichem Motor gesellschaftlichen Fortschritts. Notwendig war hierfür eine radikale Änderung der Produktionsverhältnisse durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Nur so konnte dem Profitstreben der Kapitalseite wirksam entgegengetreten werden.

Im Osten Deutschlands wurde unter dem Einfluss der Sowjetunion dieses Ziel durch den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden weitgehend realisiert. Im Westen wurde diese Notwendigkeit - resultierend aus einem antifaschistischen Konsens der weit bis in die CDU reichte - ebenfalls gesehen. Hier kam es aber aufgrund des Interesses der West-Alliierten an einem kapitalistischen deutschen Staat als Bollwerk gegen den Kommunismus nicht zur Vergesellschaftung der Produktionsmittel sondern im Gegenteil zur Rehabilitation von Industriellen und der alten politischen Eliten. Ergebnis der widersprüchlichen Interessen war der Sozialstaatskompromiss. Dieser führte zu einer Regulierung der Konkurrenz durch Schutzrechte der lohnabhängig Beschäftigten wie zum Beispiel Kündigungsschutz, Streik- und Tarifrecht, Absicherung bei Arbeitslosigkeit, staatliche Gesundheitsversorgung, Mieterschutz.

Diese Regulierung und Einschränkung der Konkurrenz hemmte jedoch die Profitsteigerung der Großkonzerne, die diesen Kompromiss von Anfang an vehement bekämpften. Anfang der 80er Jahre setzte sich der Neoliberalismus unter Thatcher in Großbritannien und kurze Zeit später in der BRD unter Kohl als rechte Antwort auf den Sozialstaatskompromiss und die Existenz der sozialistischen Staaten durch. Nach 1989 gewann der Neoliberalismus aufgrund des Wegfalls des Systemgegensatzes als "alternativloses Konzept" an Stärke. Mit ihm verfolgt die Kapitalseite das, was aufgrund der Lehren aus Faschismus und Krieg bisher nicht wieder möglich gewesen war: Die Durchsetzung der ungehemmten Konkurrenz als grundlegende Prämisse menschlichen Zusammenlebens.

Hier in Hamburg ist es der Rechtssenat, der im Zusammenspiel mit der Springer-Presse, der Handelskammer und anderen Lobbyorganisationen der Kapitalseite die Ausbeutung vorantreibt. Der auf Grund der starken Arbeiterbewegung in Hamburg besonders fest verankerte Sozialstaatskompromiss zwingt den Senat dazu, zur Durchsetzung des Profitinteresses besonders vehement die Konkurrenz zwischen den Menschen zu fordern und zu fördern. Um Arbeitsplätze wie um Bildung, um Wohnraum wie Gesundheit sollen die Menschen konkurrieren, und sich dabei im Preis unterbieten. Wer mithalten will, sich ein bisschen Lebensstandard erhalten will, der soll Ungleichheit und Konkurrenz als alternativlos akzeptieren und diese immer wieder gegen seinesgleichen durchsetzen.

Die künstliche Konkurrenz auf der ideologischen Basis angeblich natürlicher Ungleichheit der Menschen ist das dünne Eis, auf dem die Ausbeutung von Menschen durch Menschen heute nur noch gebaut ist. Der Kampf für Gleichheit und Kooperation ist das menschliche, das den Rechten jeder Schattierung entgegengesetzt werden muss. Im solidarischen Kampf in antifaschistischen und Friedensbündnissen, als Zusammenschluss fortschrittlicher Organisationen und der in ihnen assoziierten Menschen für die Gleichheit der Menschen, ihre Entfaltung in Wissenschaft, Bildung, Arbeit und Kultur, im Kampf für die ureigenen Interessen jedes einzelnen Menschen liegt schon Entfaltung. Es kommt darauf an, in diesem Sinne die Zukunft in die Hand zu nehmen.

"Das Schicksal des Menschen ist der Mensch."

(B. Brecht in: Me-Ti. Buch der Wendungen)

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 28. Juli 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_30.html