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Das ist völlig unrealistisch

Studiengebühren und das große Geld

"taz: Der Senator regt Darlehen direkt über die Hochschulen an. Die Lehrstätten könnten die Gebühren beispielsweise stunden.

J. Lüthje: Das ist völlig unrealistisch. Für große staatliche Hochschulen ist es unmöglich, die erforderlichen Ausfallgarantien gegenüber den Banken zu geben. Wenn alle Studierenden Anspruch auf ein Darlehen haben sollen, ist
eine Rückabsicherung durch den Staat oder eine öffentliche Bank nötig. Diese Rahmenbedingung zu schaffen, ist die Verantwortung der Politik."

(Interview der taz Hamburg mit Uni-Präsident Jürgen Lüthje vom 4.2.2005, Seite 21.)

Man kann es ganz knapp sagen: völlig unrealistisch ist, daß sich in den Taschen der potentiell Studierenden Geld finden läßt und: völlig realistisch ist, daß sich hier die großen Banken die Taschen voll machen wollen.

Gerade erst erläutert das Deutsche Studentenwerk in seiner Sozialerhebung für 2003, daß in Hamburg seit 2000 der Anteil von Arbeiterkindern von vierzehn auf zehn Prozent gesunken und der von Kindern gehobener Erwerbsgruppen erneut rapide gestiegen ist (von 32,0% auf 38,3%); gerade erst hat sich die Deutsche Bank für einen Rekord-Gewinn von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2004 gefeiert und im selben Atemzug die Streichung von weiteren 5200 Stellen angekündigt; gerade erst steigen die offiziellen Arbeitslosenzahlen über die Fünfmillionengrenze; gerade erst meldet der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (pssst!), daß das bundesrepublikanische Nettogesamtvermögen fünf Billionen Euro beträgt und daß nur zehn Prozent der deutschen Haushalte davon 46,8 Prozent in Händen halten, während die unteren 50 Prozent über ganze 3,8 Prozent dieses Vermögens verfügen - Und die vermeintliche Notwendigkeit von Studiengebühren zur Finanzierung von Hochschulen soll uns nicht lächerlich erscheinen?

Mit langen Fingern lauern private Banken auf Studierende, die sich waghalsig in das Risiko einer hohen Verschuldung stürzen, um vielleicht, vielleicht mal einen auskömmlichen Job zu ergattern. Die Banken sind auf der sicheren Seite: entweder Studi stottert ab (und ist wie jeder Verschuldete ständig in Sorge) oder eine öffentliche Bank soll einspringen, also wieder ,der Steuerzahler' - das Kapital ist nicht sehr risikobereit.

Richtig ist, daß unter Zwang in einigen Ländern der Welt (besonders in den USA, hingegen gar nicht in Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland) Studierende und ihre Verwandten mit Gebühren ausgenommen werden können: dafür gehen Leute zum Militär, verschulden sich hoch, haben Angst vor Versagen, dienen verstärkt fremdgesetzten Normen, lernen schmales Paukwissen, konkurrieren aufs Schärfste mit ihren Kommilitonen, hetzen durch die Lehrveranstaltungen, schuften bis zum Umfallen, verzichten Geschwister - ja, manch einer kann so eine Weile studieren (bald wird einem so die Universität und jedes Lernen verhaßt), aber keiner kann es gut.

Dazu ist die Alternative: die Freude am Begreifen und nützlichen Verändern der Welt, die ernsthaft interessierte, verläßliche Zusammenarbeit mit den Mitmenschen, die Neugier auf eigene erste Versuche, die Lust an der allgemeinen Aufklärung und dies ein Leben lang.

Das ist erfreulich.
Und muß man es wirklich noch sagen? Geld ist genug da; es bedarf gemeinsamer aufklärender, kritischer und solidarischer Anstrengung, da heran zu kommen. Wahres wird nicht Unwahr - aber man kann mehr erkennen. Schon versucht? Gefragt? Gelernt? Gekämpft?

Das ist realistisch.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 7. Februar 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_214.html